Alle, die sich nach Normalität sehnen, können aufatmen: Nach einem Jahrzehnt des viel zu billigen Geldes haben erst die US-Notenbank Fed und dann auch die Europäische Zentralbank ihre Zinsen erneut angehoben und landen jetzt auf einem Niveau von 4,25 Prozent im Euro-Raum und 5,25 bis 5,5 Prozent in den USA. Wären Zinsen so etwas wie Wasserstände, hiesse es jetzt: Der Fluss führt normal hohes Wasser.

Und natürlich hat solch eine Normalität etwas für sich: Die Inflation sinkt zwar langsam, aber stetig. Hauspreise schiessen nicht mehr in den Himmel, weil Käufer und Verkäufer die Zinslast stärker einberechnen müssen.

Und auch die Staaten müssen wieder anfangen zu rechnen: Schulden zum Nulltarif sind nicht mehr zu machen. Mit zwei Worten: Zinsen disziplinieren, was manchen Politiker, der das Geld mit vollen Händen für Subventionen in die Wirtschaft ausgibt, die er zuvor mit seiner Regulierungswut abgewürgt hat, vielleicht zum Nachdenken veranlasst.

Es gibt allerdings im Fall der EZB und ihrer Chefin Christine Lagarde eine Fussnote, die die meisten überlesen. Lagarde weiss um die Verlegenheit, in die sie die Euro-Länder und ihre Politikelite bringt, wenn die Refinanzierung der Schulden mit einmal viel mehr Geld kostet als geplant. Sie hat deswegen gleichzeitig mit dem Beginn ihrer zügigen Zinserhöhungen im vergangenen Jahr ein geldpolitisches Werkzeug eingeführt, das sie unverdächtig TPI nennt – «Transmission Protection Instrument».

Es ermöglicht der EZB den flexiblen Ankauf von Staatsanleihen, falls es zum Beispiel in Griechenland auch geldpolitisch wieder brennt oder es in Deutschland gar nicht mehr weitergeht. Bislang liegt dieses Werkzeug unbenutzt im Kasten. Tatsächlich ist es eine Versicherung, die einspringt, wenn sonst nichts mehr geht.

Wer so eine Versicherung braucht, ist allerdings von der Normalität noch immer weit entfernt. Insofern gilt: Jetzt aufzuatmen, ist zu früh.