Nicola Siegrist, Präsident der Schweizer Jungsozialisten, spricht auf X, vormals Twitter, wahre Worte gelassen aus. Die Versammlungsfreiheit sei «ein zentrales Gut einer Demokratie». Er wehrt sich gegen Kundgebungsverbote, denn diese seien ein «Angriff auf demokratische Grundrechte».

Worauf Siegrist anspielt, ist klar. In mehreren Schweizer Städten sind derzeit Demonstrationen im Zusammenhang mit den Vorgängen im Nahen Osten untersagt. Was dem Juso-Chef nicht behagt.

Allerdings ist seine tolerante Haltung nicht so grundsätzlicher Art, wie er jetzt behauptet. Passt ihm ein Anliegen nicht, ruft er zwar nicht zu einem Kundgebungsverbot auf, geht aber einfach anderweitig auf die Barrikaden.

Als Abtreibungsgegner im September in Zürich den «Marsch fürs Läbe» durchführten, gab Nicola Siegrist knurrend zu, dass sie dazu gesetzlich gesehen das Recht haben. Aber es sei «fast schon Pflicht, zu einer Gegendemonstration aufzurufen».

Man wolle den «Fundis den Tag vermiesen», hiess es aus den Kreisen der Gegendemonstranten. Bei früheren Austragungen kam es auch schon zu Tätlichkeiten gegenüber den «Marsch fürs Läbe»-Teilnehmern, was Siegrist mit Sicherheit weiss.

Ein Verbot von Demonstrationen von Leuten, die eine Nähe zum palästinensischen Terror haben, ist für den Juso-Mann also ein «Angriff auf die Grundrechte». Diese dürfen für ihn aber offenbar nur Leute beanspruchen, die seine Meinung teilen.

Gehen Andersdenkende auf die Strasse, darf man sie hingegen mit einer Gegendemonstration daran hindern, frei ihre Meinung zu äussern.