Man muss auch mal fair sein: Die Deutschen tun nun wirklich alles dafür, das Weltklima zu retten.

Berlins Umweltsenatorin Bettina Jarasch (53, Grüne) zum Beispiel fährt eigens mit der Dienstlimousine (Tesla) zur Eröffnung neuer Radwege und radelt sogar ein Stück für die Kameras. Umwelt-Aktivist Heinrich Strössenreuther (54, CDU) findet die Klima-Kleber irgendwie heldenhaft: «Niemand will vorbestraft sein – warum tun sie’s?», twittert der Ex-Grüne im schwarzen Unionspelz mit unterschwelliger Bewunderung und wettert gegen jene, die sich an den Sitzenbleibern von der «Letzten Generation» abarbeiten.

Und Bundesumweltministerin Steffi Lemke (54, Grüne) bringt zumindest in Gedanken ihren Klebe-Kumpels grünen Tee vorbei: «Es ist absolut legitim, für seine Anliegen zu demonstrieren und dabei auch Formen des zivilen Ungehorsams zu nutzen.» Endlich mal Demonstranten mit Bodenhaftung. So geerdet und erdverbunden. Asphalt mit Einfalt.

Der gemeine Pendler (lat. laboris mobilis paupertas porcus) hinwiederum wartet vergeblich auf ein Wort der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (52, SPD), die den Corona-Protestlern ehedem per Twitter zugerufen hatte: «Man kann seine Meinung auch kundtun, ohne sich gleichzeitig an vielen Orten zu versammeln.» Recht hat sie. Kleben und kleben lassen. Am besten woanders, wo es nicht stört.

Auf dem Brandenburger Tor zum Beispiel. Da hatten sich dieser Tage die munteren Burschen der Generation Pattex stoffschlüssig mit dem historischen Stein verbunden und viel Zuspruch erhalten. Kinder haften für ihre Eltern, die dann friedlich ihrer Arbeit nachgehen können. Einer muss ja die Klima-Knete ranholen, die Kanzler Olaf Scholz (64, SPD) dieser Tage auf der Weltklimakonferenz in Ägypten an arme Länder wie etwa Palau in der Südsee (18.000 Einwohner) verteilte, wo bereits «Milliarden Menschen» gestorben sind, wie Klima-Aktivistin Carla Rochel bei Markus Lanz (ZDF) erklärte.

Leider verderben Klebe-Krieger wie Tadzio Müller (46) viele Sympathien, die noch von den lustigen «Fridays for Schulfrei»-Kindern erkämpft wurden. Als eine inzwischen verstorbene Radlerin in Berlin wegen Klima-Blockaden erst verspätet unter einem Betonmischer geborgen werden konnte, twitterte der Klima-Empathiker: «Es ist Klimakampf, nicht Klimakuscheln & shit happens».

Kein Wunder, dass immer mehr Deutsche bessere Haftbedingungen wünschen und damit nicht die Fahrbahn meinen …

Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Kleben und kleben lassen: Die «Letzte Generation» erlebt aufkeimende Kritik. Warum drehte der Wind?"
  • Renate

    Wunderbarer Artikel, trifft es100%ig, nur leider wird es an unserer desolaten Linie auf allen Ebenen hier in Berlin nichts ändern. Deutschland schafft sich ab und Berlin ist dabei an der Spitze. Einfach nur noch zum Verzweifeln.

  • HJM

    Kleben lassen bis der Leim verrottet.

  • hansj.

    In Oslo wollten sich drei Pattexioten aus Finnland, Dänemark und Deutschland (man beachte die Herkunft) an Munchs „Schrei“ festkleben. Die Security des Nationalmuseum verhinderte das. Auf Twitter ist ein Video, das zeigt, wie ein Wikinger eine diese Gören festhält, die tränenerstickt rumkrakelt. Mehr solche Videos, die retten jeden Tag 👍👍