Okay, ich gebe zu: Ich bin befangen. Aber ich weiss wenigstens, wovon ich rede.

Ich hatte zeitweise Mühe, mein Buch «Der Fluch des Guten» (2019) in Deutschland zu vertreiben. Der Buchversand boykottierte mich. Nicht, weil man inhaltlich etwas an meinem Werk auszusetzen hatte. Sondern weil einer meiner deutschen Partner, die liberal-konservative Zeitschrift Junge Freiheit, der Branche ideologisch nicht genehm war. Dank Internet verkauften wir trotzdem recht gut.

Als 2021 meine Biografie von Esther Vilar («Unerhört») erschien, teilten mir Leser mit, das Buch sei bei Orell Füssli nicht erhältlich. Ich machte eine Stichprobe. Effektiv: Zuerst teilte man mir im Laden mit, ein solches Buch existiere nicht. Als ich insistierte, offerierte man mir, es zu bestellen.

Man muss weder Baur noch Vilar gut finden. Aber man kann nicht so tun, als würden wir nicht existieren. Vilars «Dressierter Mann» (Millionenauflagen, in 32 Sprachen übersetzt) hat weltweit eine ganze Generation in Aufruhr versetz; «Speer» und «Die amerikanische Päpstin» sind Theater-Klassiker. Meine Biographie dieser Autorin wurde in allen wichtigen Schweizer Medien rezensiert. Roger Schawinski (Radio 1) und Urs Gredig (SRF 1), beide ideologisch unverdächtig, fanden sie wichtig genug, um mit Esther Vilar je ein (fast) einstündiges Solo-Interview zu führen.

Doch im Buchhandel fand man die Biografie der 1935 geborenen deutsch-argentinischen Jüdin, die den Feminismus bereits vor einem halben Jahrhundert als Farce entlarvte und die deshalb 1975 ein zweites Mal aus Deutschland fliehen musste, unzeitgemäss und nicht sachdienlich.

Und nun weigert sich Orell Füssli also, das Buch von Michèle Binswanger über den Zuger Sexskandal zu verkaufen. Das habe nichts mit dem Inhalt zu tun, flötet Alfredo Schilirò von Orell Füssli gemäss 20 Minuten, sondern mit der «ungeklärten Rechtslage».

Wie bitte? Das Bundesgericht hat das Verbot des Binswanger-Buches bekanntlich längst aufgehoben. Und über dem Bundesgericht steht nur noch der liebe Gott.

Kürzlich musste ich Kritik einstecken, weil ich den deutschsprachigen Buchhandel als «linksversifft» bezeichnete. Ich korrigierte mich, es ist schlimmer. Es handelt sich um einen Club mieser Heuchler.

Es gab Zeiten, da versetzte mir jede Schliessung einer Buchhandlung einen Stich ins Herz. Tempi passati. Sie haben es nicht anders verdient.

Die 3 Top-Kommentare zu "Orell Füssli boykottiert Binswanger-Buch über den Zuger Sexskandal. Der deutschsprachige Buchhandel ist nicht nur linksversifft, er ist obendrein verlogen"
  • ueli rotach

    Kann ich als Mitarbeiter im Buchhandel nur bestätigen. Seit der überteuerte OF in unserer Stadt aufgemacht hat wird unsere lokale Einzelbuchhandlung durch das aggressive Verhalten immer weiter verdrängt. Viele Kunden beklagen sich aber, dass kritische Bücher zu Corona oder von Ganser dort nicht erhältlich sind. Wenn es irgendwann nur noch OF gibt, wird es keine Alternative mehr geben. Binnswangers Buch nehmen wir aber ans Lager.

  • Alpensturm

    "Der deutschsprachige Buchhandel ist nicht nur linksversifft, er ist obendrein verlogen." Genau wie unsere Politik in Bern.

  • Benedikt

    Ganz Einfach, OF braucht mich als Leser, ich ihn als Buchhändler nicht unbedingt, Internet Handel sei Dank. Soll er doch mit der Linksversifften und Woken Kundschaft sein Geschäft machen!!!