Ranghohe deutsche Bundeswehroffiziere haben nach russischen Angaben an Überlegungen teilgenommen, wie die für Russland strategisch wichtige Kertsch-Brücke zwischen dem russischen Festland und der Halbinsel Krim mit Marschflugkörpern zerstört werden kann. Dies schrieb die Chefredakteurin von RT, Margarita Simonjan, auf ihrem Telegram-Kanal. Inzwischen hat sie einen Teil der offenbar vom russischen Geheimdienst mitgeschnittenen Audioaufnahmen veröffentlicht, die ihr zugänglich gemacht worden seien. Sie machte keine Angaben über den Zeitpunkt, zu dem das Gespräch stattgefunden haben soll.

Demnach nahm der Inspekteur der deutschen Luftwaffe, Generalleutnant Ingo Gerhartz, ebenso an dem Gespräch teil wie weitere namentlich nicht genannte militärische Führungskräfte.

Laut der Transkription diskutierten die Beteiligten die Effizienz des Einsatzes von britischen Marschflugkörpern Storm Shadow und französischen Scalp, die bereits an die Ukraine geliefert wurden. Die Offiziere erörterten unter anderem, dass ein erfolgreicher Angriff auf russische Infrastruktur vorher zusätzlich weitere Daten und Satellitenaufklärung erfordere. Sie sprechen von mindestens einem Monat Vorbereitungszeit.

Einer der Offiziere merkte an, dass aufgrund der Länge der Brücke auch zwanzig Raketen nicht ausreichen würden, um nennenswerten Schaden anzurichten. «Die Brücke im Osten ist halt schwer zu erreichen, und die Pfeiler sind relativ klein, und das kann halt der Taurus darstellen, und die Mun[itions]-Depots – da kommen wir halt durch. Und wenn ich das jetzt berücksichtige und vergleiche, wie viele Storm Shadows und Himars abgeschossen wurden, da kann man ganz gut alle Einstellungsmerkmale halten. Da habe ich mir so drei Routen rausgesucht, wo ich sagen würde, geht’s da um die Brücke oder geht’s da um Mun-Depots?»

Die Offiziere diskutierten, wie eng die Bundeswehr in die Planung und Vorbereitung einbezogen werden kann, um nicht unmittelbar als Kriegspartei zu erscheinen. Mit diesem Argument hat Bundeskanzler Olaf Scholz wiederholt die Lieferung deutscher Taurus-Raketen an die Ukraine abgelehnt. Auch die Bundeswehroffiziere argumentierten, dass man vorsichtig sein müsse und keine roten Linien überschreiten dürfe.

«Es wäre bedenklich, wenn sich eine direkte Verbindung von uns zu den ukrainischen Streitkräften nachweisen liesse», sagte der deutsche Luftwaffenchef Gerhartz laut Transkription. «Wenn wir dem Minister jetzt sagen – ich überspitze mal ein bisschen –, wir planen die Daten und fahren sie dann von Polen aus mit dem Auto rüber, damit es keiner mitkriegt, (dann) stell dir mal vor, das kommt an die Presse. Das sind, glaube ich, keine akzeptablen Lösungen.»

Die Offiziere erarbeiten einen mehrstufigen Plan. Ziel sollen zunächst Angriffe auf russische Munitionsdepots sein. Später soll der Angriff auf die Krim-Brücke erfolgen. «Man muss ganz klar sagen: Je länger ihr wartet mit einer Entscheidung, umso länger dauert es hinterher, es richtig umzusetzen. Und diese Abstufung, erst mal was Einfaches, später mal was Größeres oder eine Frage an die Briten: Könnt ihr uns am Anfang unterstützen», sagt einer der Gesprächsteilnehmer.

Im Anschluss wird über unterschiedliche Konzepte der Ausbildung gesprochen. Mit einer schnellen, wenige Wochen dauernden Ausbildung soll die Grundlage für Angriffe auf russische Munitionsdepots geschaffen werden. Eine längere, umfassendere Ausbildung soll den Angriff auf die Krim-Brücke vorbereiten. «Entweder wir müssen die Ausbildung aufteilen, dass wir sagen: Wir machen einen fast track und einen long track. Und der long track – dann sind die da halt für vier Monate und lernen es komplett richtig, mit ‹Wie mach’ ich’s mit ’ner Brücke?› Und in den fast track geht es erst mal um den schnellen Einsatz, nach zwei Wochen, dass ich weiß, was ich mit einem Munitionsdepot mache.»