Russland wird angreifen – das lassen zumindest deutsche Medien unaufhörlich ausgewählte Politiker und Experten sagen.

Ob vor der Kamera oder in Interviews in der Zeitung: Die russische Gefahr lauert. Oder genauer: Sie muss einfach lauern.

Denn wie will die Politik sonst der deutschen Öffentlichkeit eine gigantische Neuverschuldung von rund einer Billion erklären?

Dem CDU-Politiker Roderich Kiesewetter bot die Frankfurter Rundschau gerade eine Plattform, um Europa vor einer «Schwäche» im Hinblick auf aktuelle Entscheidungen den Ukraine-Krieg betreffend zu warnen: «Dann» nämlich, so Kiesewetter, werde «Russland nicht drei bis fünf Jahre warten». Die Entscheidungen, die Europa jetzt treffe, müssten nach Kiesewetters Vorstellungen in «Stärke umgemünzt» werden.

Ist der Redaktion nicht aufgefallen, dass die Aussagen – nun, wie soll man es sagen? – eine gewisse Herausforderung für die Logik ist. Einerseits wird hier unwidersprochen in den Raum gestellt, Russland werde in drei bis fünf Jahren die Nato angreifen. Deshalb gälte es nun, Stärke zu zeigen.

Andererseits, wenn Russland tatsächlich in ein paar Jahren so weit gehen würde: Warum sollte das Land sich zu diesem Zeitpunkt von «Entscheidungen der Stärke» beeindrucken lassen?

Das heisst: Entscheidungen von einem Europa, dass – so sagen es Politiker doch überall – dringend hochrüsten muss, weil es Russland bei einem Angriff viel zu wenig entgegenzusetzen habe.

Nur wollte Russland tatsächlich Krieg mit der Nato anfangen: Das Land könnte jederzeit mit einem gigantischen Atomwaffenarsenal zuschlagen. Von Europa würde nicht mehr als eine nuklearverseuchte Wüste übrig bleiben.

Bemerkenswerterweise ist das bisher aber noch nicht passiert.

Im Gegenzug könnte die Nato natürlich nuklear auch Russland schwere Schäden zufügen. Also wäre ein Angriff Russlands trotz einer angeblichen militärischen Schwäche Europas unklug. Das ist logisch.

Unlogisch ist hingegen die Feindbildprojektion in der Frankfurter Rundschau. Sie dreht sich um das Hirngespinst eines russischen Angriffs, an dem Russland schon aus eigenen Gründen kein Interesse haben kann – Russland hängt, wohlgemerkt, seit drei Jahren in einem Stellungskrieg in der Ukraine fest.

Doch Kiesewetter scheint das anders zu sehen: Er spricht davon, dass die Regierung sich im Hinblick auf die finanzielle Situation davor scheue, «den Notfall auszurufen». Dann bedürfte es nämlich keiner Grundgesetzänderung und eine Zweidrittelmehrheit im Parlament.

Und Kiesewetter weiter: «Wir könnten einen Spannungsfall ausrufen – aufgrund der Zerstörung unserer Bahninfrastruktur, aufgrund von Sabotageakten, von gezielten Tötungen etwa in Bayern.»

Das sind eigenartige Sätze. Was und wie er das genau meint? Schwer zu sagen. Die Reaktion hat an der Stelle nicht nachgehakt.

Aber der Geruch der Propaganda ist zu bemerken.

Marcus Klöckner ist Journalist und Autor. Der Titel seines aktuellen Buches lautet «Kriegstüchtig! Deutschlands Mobilmachung an der Heimatfront».