Jeder Hypothekarschuldner in der Schweiz muss nachweisen, dass er in der Lage wäre, auch Hypothekarzinssätze von 5 Prozent zu überstehen. Warum müssen eigentlich Regierungen bei ihrer Schuldenmacherei keine solchen Tragbarkeitstests durchlaufen?

Links-grüne Politiker halten Sparmassnahmen, Schulden- und Ausgabenbremsen für Unsinn, weil Staaten keine Unternehmen seien. Sie glauben, der Sozialismus könne mathematische und ökonomische Gesetzmässigkeiten ausser Kraft setzen. Ein grosser Irrtum.

Für die nachfolgenden Überlegungen wurden die EU-Daten der letzten vier Quartale bis Mitte 2023 (letztbekannte detaillierte Zahlen) verwendet. Die Schulden der neunzehn Euro-Länder stellten sich auf durchschnittlich 12.390 Milliarden Euro (37.400 Euro pro Kopf), für die 239 Milliarden (720 Euro pro Kopf) Zinsen bezahlt wurden, was wiederum einer Verzinsung von 1,9 Prozent entsprach. Der aktuelle Marktzins für zehnjährige Staatsanleihen liegt bei 2,7 Prozent. Jede Neu- und Umschuldung kostet heute somit wesentlich mehr.

Bei einem Zins von 5 Prozent resultierten für die neunzehn Euro-Länder 381 Milliarden zusätzliche Zinskosten, die zu einer Erhöhung der Staatsausgaben um 5 bis 6 Prozent führen würden. Der Zinsanteil nähme von heute 3,4 auf 8,8 Prozent der Ausgaben zu. Die Ausgabenquote am BIP stiege von 49,5 auf 53 Prozent. Die Lücke zwischen Einnahmen und Ausgaben würde auf 917 Milliarden oder 14 Prozent der Einnahmen zulegen. Diese müsste durch Einnahmenerhöhungen oder Einsparungen gedeckt werden.

Frankreich würde mit der gleichen Rechnung bei 61 Prozent Staatsausgaben in Prozent des BIP landen, Griechenland bei 58 Prozent, Italien bei 58 Prozent, Belgien bei 57 Prozent und Österreich bei 56 Prozent. Für einige Länder errechnet sich ein Anteil der Zinskosten an den Staatsausgaben von über 10 Prozent. Solche Verhältnisse sind untragbar.

Die rudimentäre Berechnung der Folgen einer Zinserhöhung auf 5 Prozent zeigt, dass nebst Italien auch Frankreich zu einem Problemfall für die Euro-Zone heranwächst, denn Frankreichs Schulden wachsen seit Jahren überdurchschnittlich schnell. Beide Länder zählen schon heute zu den chronischen Defizitländern. Sie wären kaum in der Lage, diese Mehrkosten durch Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen abzufangen. Sie müssten diese Lücke mit Neuschulden finanzieren. Es käme zu einer beschleunigten Zunahme der Verschuldung, die ebenfalls verzinst werden müsste. Je höher die Verschuldung, umso höher meistens auch der Zins. Dabei sind die vergemeinschafteten Schulden der EU in den nationalen Staatsschulden nicht enthalten, und viele EU-Länder sind Garantien für Banken und staatliche Einrichtungen eingegangen, die ebenfalls nicht aufscheinen.

Als Kenngrössen der staatlichen Finanzlage werden seit 1992 die Maastricht-Kriterien, die die Staatsverschuldung und die Defizite ins Verhältnis zum BIP setzen, herangezogen. Dieser Vergleich hinkt, denn der Staat verfügt ja nicht über das gesamte BIP. Die Ausgaben inklusive Verzinsung und Amortisation von Staatsschulden müssen mit den Staatseinnahmen bestritten werden. Aussagekräftiger ist deshalb das Verhältnis der Staatsschulden zu den Staatseinnahmen, ähnlich wie wenn ein Unternehmen seine Schulden mit dem Umsatz vergleicht, aus dem es die Kosten zu decken und die Schulden zu bedienen hat. Im EU-19-Durchschnitt von jenen Ländern, die den Euro eingeführt haben, liegt dieses Verhältnis bei 191 Prozent.

Für die EZB stellt die hohe Verschuldung eine besondere Herausforderung dar, denn diese schränkt ihren Handlungsspielraum ein. Wenn die EZB die Zinsen aus Rücksicht auf die Hochschulden-Länder nicht im notwendigen Ausmass erhöht, um die Inflation einzudämmen, dann riskiert sie eine Dauerinflation oder einen neuen Inflationsschub. Hebt sie die Zinsen gegen 5 Prozent an, dann geraten selbst einige der grossen EU-Länder in die Schuldenfalle. Sie könnten ihre Zinsen nur noch mit Neuschulden bezahlen.

Das Euro-Währungssystem erträgt deshalb weder einen neuen Inflationsschub noch eine weitere Wirtschafts- und Finanzkrise.