Hans-Werner Sinn, einer der renommiertesten Ökonomen Deutschlands, kritisiert die Schuldenwirtschaft von Friedrich Merz scharf. Er begrüsse es zwar, dass Deutschland die Verteidigungsausgaben angesichts der internationalen Entwicklungen erhöhe, sagt der Professor vom Münchner Ifo-Institut auf Anfrage der Weltwoche. Weniger Verständnis hat er für das Manöver, in letzter Sekunde noch im abgewählten alten Bundestag eine Zweidrittelmehrheit für die Änderung des Grundgesetzes für ein Verschuldungsprogramm der neuen Regierung zu suchen, das weit über die Aufrüstung hinausgeht.

Man hätte auch im neuen Bundestag mit einfacher Mehrheit im Rahmen einer Notlage ein Sondervermögen zur mehrjährigen Ertüchtigung der Bundeswehr beschliessen können, wenn auch mit einer zeitlichen Befristung. Innerhalb der Frist hätte man dann eine «solide Dauerfinanzierung» der Bundeswehr sicherstellen können, so Sinn.

Den «Beifang», den sich die Koalitionäre mit ihrem Husarenstück sichern wollten, hält Sinn aus ökonomischer Sicht für gefährlich: Wenn man schon die notwendige Aufrüstung mit Schulden finanzieren wolle, dürfe man sich nicht gleichzeitig noch für alle möglichen anderen Projekte verschulden, denn dadurch komme es zu einer Überlastung der Produktionskapazität der Wirtschaft und der zukünftigen Generationen.

Immer weniger Menschen stünden im Arbeitsleben und müssten immer mehr Rentner finanzieren. Sie hätten gar nicht die Kraft, neben der Rentenlast und neben der Aufrüstung auch noch die Reparatur der Infrastruktur zu bezahlen. Das sei die Pflicht und Schuldigkeit der bald abtretenden Generation selbst.

Sinn vermutet im Übrigen, dass es beim Beifang nur «nominal» um die Infrastruktur gehe. In Wahrheit würden damit am Ende grossenteils «Sozialleistungen und andere Wohltaten finanziert, die die Koalitionäre ihrer jeweiligen Klientel zugutekommen lassen wollen».

Die Kapitalmärkte, «diese unbestechlichen Wachhunde» (Sinn), haben bereits regiert. Der Wert der zehnjährigen deutsche Staatsanleihen sank nach dem Bekanntwerden der neuen Schuldenpläne spontan um 3 Prozent. Das bedeute, dass die Märkte entweder die Ausfallwahrscheinlichkeit auf 3 Prozent ansetzen oder erwarten würden, dass eine entsprechende Inflation den realen Wert der Papiere vernichte. «Die Schuldendisziplin war noch nie so gering wie heute», bilanziert Hans-Werner Sinn, der schon 2021 in seinem Buch «Die wundersame Geldvermehrung» auf das Gefahrenpotenzial von Staatsverschuldung, Negativzinsen und Inflation hingewiesen hatte. Zwischen 2008 und 2021 habe sich die Geldmenge versiebenfacht, und die Zinsen seien in den Keller gerauscht. Das habe eine massive Staatsverschuldung angeregt – mit der Gefahr einer Inflation und der Entwertung der Geldvermögen.