Wer in Deutschland als Politiker nicht «Hurra!» zu Waffenlieferungen ruft, hat es nicht leicht. Nun traf es erneut Bundeskanzler Olaf Scholz – aber diesmal mit einem Vorwurf aus den Tiefen des verschwörungstheoretischen Universums.

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sprach von einer «hidden agenda», also einer versteckten, geheimen Agenda, die der Kanzler im Hinblick auf den Krieg in der Ukraine verfolge.

Auf einer Podiumsdiskussion in Bremen sagte der als Hardliner in Sachen Russlandpolitik bekannte Hofreiter laut Focus online Folgendes: «Leute, die sich damit beschäftigen, sagen, die Strategie ist, die Ukraine immer so halb gar zu unterstützen, bis die Ukraine bereit ist, zu verhandeln und grosse Teile ihres Gebiets preiszugeben.» Die Aussage bezieht sich auf die angeblich von «Leuten» ausgemachte Strategie des Bundeskanzlers. Und Hofreiter weiter: «Das sagen Leute, die sich damit beschäftigen. Dass das die eigentliche Hidden Agenda ist.»

In dem Focus-Artikel heisst es schlussfolgernd: «Die Aussagen Hofreiters sind hochbrisant und insinuieren einen ungeheuerlichen Vorwurf an den Kanzler: dass Scholz die Ukraine nur pro forma unterstütze und in Wahrheit im Sinne Moskaus handle, um die Ukraine an den Verhandlungstisch zu bringen.»

Das Onlineportal zitiert den Politikwissenschaftler Gerhard Mangott mit den Worten: «Das ist kaum zu glauben: Ein Abgeordneter der Regierungskoalition unterstellt dem Kanzler eine maliziöse Strategie im Ukrainekonflikt.» Hinter der «Zögerlichkeit» des Kanzlers sehe Hofreiter folglich eine «teuflische, betrügerische Strategie».

«Wenn das Misstrauen Hofreiters so gross ist, müsste er der Erste sein, der ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Scholz lostritt», sagte Mangott.

Doch das hat Hofreiter bisher nicht getan. Fehlt es ihm an Beweisen für seine Behauptung?

Hofreiters Aussagen mögen dazu führen, dass er in einer ihm wohlgesonnenen Diskussionsrunde punkten kann – seiner öffentlichen Glaubwürdigkeit zuträglich sind sie hingegen nicht. Dem Kanzler verschwörungstheoretisch raunend eine «geheime Agenda» zu unterstellen, während tiefenpolitische Motivationslagen von westlicher Seite in der Ukraine erst gar nicht angesprochen werden: das ist sehr schwach.

Marcus Klöckner ist Journalist und Autor. Zuletzt von ihm erschienen: «Möge die gesamte Republik mit dem Finger auf sie zeigen. Das Corona-Unrecht und seine Täter», Rubikon.