Die meisten, die die AfD kritisieren, haben deren Parteiprogramm wohl noch nicht gelesen und dieses schon gar nicht mit ihren eigenen Vorstellungen oder anderen Parteiprogrammen verglichen. Jede und jeder kann das Programm selbst durchforsten und nach Demokratie-gefährdenden Inhalten absuchen.

Ich habe keine solchen Programmpunkte gefunden.

Die Partei bekennt sich klar zu einem Staatsverständnis, wie viele es sinngemäss auch in der Schweiz pflegen: «Als freie Bürger treten wir ein für direkte Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit, soziale Marktwirtschaft, Subsidiarität, Föderalismus, Familie und die gelebte Tradition der deutschen Kultur.»

Als Schweizer würde ich ergänzen: «Neutral und unabhängig von internationalen Bündnissen».

Viele der AfD-Grundsätze decken sich nicht mit den ideologischen Vorstellungen der Ampel-Koalition oder der CDU/CSU. Im Gegenteil. Schon das erste Kapitel des Grundsatzpapiers, das sich mit der Demokratie und den Grundwerten beschäftigt, ist für die etablierte deutsche Politelite wohl ein Horror, denn es droht eine Beschränkung ihrer Macht. Mit Steuern- und Abgabengrenzen, der Abschaffung von Vermögens- und Erbschaftssteuern sowie einem zwingenden Schuldenabbau würde zudem ihr finanzieller Spielraum zurechtgestutzt.

Die AfD fordert Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild und einen schlanken Staat für freie Bürger. Die Gewaltenteilung muss gewährleistet, und deshalb das Amt vom Mandat strikt getrennt werden (keine Beamten im Parlament). Die Macht der Parteien soll eingeschränkt, die Parteienfinanzierung wieder in Einklang mit dem Verfassungsrecht gebracht werden. Der Bundestag soll von heute 736 auf 471 Mandate verkleinert werden. Dem Berufspolitikertum soll mit einer Amtszeitbegrenzung der Riegel geschoben werden.

Heute bestimmt letztlich die Partei, wer in den Bundestag einzieht, denn die Wähler können auf den fixen Parteilisten einzelne Kandidaten weder streichen noch kumulieren oder panschieren. Eine Reform des Wahlsystems sei deshalb nötig, damit jene Kandidaten, die vom Volk die meisten Stimmen erhalten, und nicht die Parteilieblinge ins Parlament einziehen können.

Der Bundespräsident soll durch das Volk gewählt und nicht in den Hinterzimmern des Bundestages ausgehandelt werden. Der Lobbyismus müsse eingedämmt werden. Die Rentenvorsorge der Parlamentarier soll nicht mehr vom Staat, sondern von ihnen selbst finanziert werden. Und was wohl für einige besonders unangenehm wäre: die Einführung eines Strafbestandes der Steuerverschwendung.

Die AfD lehnt die «Vereinigten Staaten von Europa» ebenso ab wie eine EU als Bundesstaat, aus der kein Austritt mehr möglich ist. Sollten sich die von der AfD geforderten grundlegenden Reformansätze wie die Rückführung von EU-Kompetenzen an die Nationalstaaten im bestehenden System der EU nicht verwirklichen lassen, streben sie einen Austritt Deutschlands beziehungsweise eine demokratische Auflösung der EU und die Neugründung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft an.

Das tönt schon ganz anders als die der AfD oft unterstellte generelle Forderung eines EU-Austritts. Die 2013 von Euroskeptikern gegründete AfD will eine Volksabstimmung über den Euro, weil die Stabilitätsabkommen nicht eingehalten werden und die EZB entgegen den Abmachungen Staatshaushalte finanziert.

Das 96-seitige Parteiprogramm enthält selbstverständlich eine Auslegeordnung über sämtliche wesentlichen Politgebiete vom Asylwesen über die Steuern und Finanzen bis hin zur Familien- und Wirtschaftspolitik. Undemokratische Forderungen sind nicht vorzufinden.

Der Partei wird dennoch Rechtsextremismus unterstellt, weil AfD-Exponenten sich derartig in der Öffentlichkeit geäussert hätten. Die Partei müsse deshalb verboten, ihre Mittglieder ausgegrenzt und in Sippenhaftung durch den Verfassungsschutz überwacht werden. Vielleicht haben in den letzten Wochen und Monaten doch einige Leute das AfD-Parteiprogramm gelesen und sich damit auseinandergesetzt. Möglicherweise ist dies der Grund, warum die AfD-Umfragewerte Rekordstände erreichen.