Wladimir Putin ist ein Scheusal, ein Kriegsverbrecher. Aber er war ja schon vorher suspekt.

Wolodymyr Selenskyj ist ein Held, ein Demokrat. Aber er war ja schon vorher – nein, das wollen wir jetzt nicht hören.

Tatsächlich war der ukrainische Präsident nicht weniger suspekt als der russische: korrupter Präsident eines korrupten Staates.

Nur dass das heute niemand mehr wissen will. Schlichte Gemüter wollen schlichte Narrative. Hier tapferer Held, da feiger Mörder.

Und wenn die Vergangenheit nicht zum neuen Bild passt, macht man es wie das Zentrum Liberale Moderne, ein von den Alt-Grünen Marieluise Beck und Ralf Fücks gegründeter Thinktank.

Ihr Projekt «Ukraine verstehen» berichtete, als die «Pandora Papers» Selenskyjs dubiose Offshore-Geschäfte enthüllten. Der Artikel steht zwar noch im Netz, aber ergänzt um eine Warnung:

«Dieser Text entstand vor Putins brutalem Überfall auf die Ukraine. Im Krieg hat Wolodymyr Selenskyj beeindruckendes Format bewiesen und ist mit seiner Regierung zum Anker für Ukrainerinnen und Ukrainer im Freiheitskampf gegen Putins perfiden Überfall geworden. Alle Kritik an seiner Politik aus der Zeit vor dem Angriff auf sein Land ist angesichts der aktuellen Situation bedeutungslos geworden.»

Von hier ist es nicht mehr weit zu Winston Smiths Arbeitsplatz im Ministerium für Wahrheit im Roman «1984»: Sein Job war es, die Vergangenheit der Gegenwart anzupassen.