Lörrach ist eine nette Kleinstadt in Baden-Württemberg, knapp 50.000 Einwohner, bürgerlich, anständig und wohlständig, direkt an der Schweizer Grenze zu Basel.

In der Idylle ist seit einigen Tagen plötzlich Aufruhr: In der Wölblinstrasse sollen vierzig Mieter aus ihren Wohnungen ausziehen, weil die Stadt Raum für Flüchtlinge – vor allem aus der Ukraine – schaffen will. Das hat der Lörracher Oberbürgermeister Lutz, parteilos, aber der SPD nahestehend, zusammen mit dem Geschäftsführer der Wohnbau-Gesellschaft, Nostadt, beschlossen.

Die Kündigung wurde den Betroffenen brieflich mitgeteilt, eiskalt und ohne jede Empathie. Den heftigen Wind der Entrüstung, der sich danach in Lörrach erhob – bei den Betroffenen, der Bevölkerung insgesamt und auch den Medien – begegnete der Oberbürgermeister mit folgendem «Statement»: «Mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs, der sich nun jährt, sehen sich Kommunen und Städte in Deutschland und europaweit nach 2015 erneut einer Vielzahl von Kriegsflüchtlingen gegenüber. […] Diesen Menschen gilt es nach den Regeln der bundesdeutschen Gesetzgebung, aber auch auf Basis der Uno-Menschenrechtskonvention zu helfen. Die Stadt Lörrach ist seit Jahren bestrebt und zugleich auch verpflichtet, diesen Menschen die notwendige Hilfe zukommen zu lassen.»

Solidarität mit den Flüchtlingen, schon lobenswert, aber für die betroffenen Mieter, die zu einem grossen Teil schon ganz lange in der Wölblinstrasse wohnen, fand sich da weder Verständnis noch Entschuldigung. Immerhin sind sie ja die eigenen Bürger des Oberbürgermeisters. Das ist denn durchaus wieder ein Lehrstück, das stellvertretend für die deutsche Flüchtlingspolitik steht: Die Oberen dekretieren ihre Entscheidung, ohne die Betroffenen zu konsultieren. Und wundern sich dann auch noch über die Folgen des Tuns.

Nach der Kritik, der Empörung und einer Protestaktion vor dem Rathaus erklärten die beiden elitären Herren: «Dieser Vorgang taugt nicht als Skandal.» Der Wohnbau-Geschäftsführer ergänzte einigermassen empört, dass «ein unspektakulärer Vorgang» Lörrach nun ins «Brennglas des medialen Interesses» gerückt habe.

Spannend auch diese Anmassung, Protest und Kritik als illegitim zu erklären. Das offenbart ein Politikverständnis aus dem 19. Jahrhundert. Doch damit nicht genug: Angesichts des Ärgers «von unten» stilisierten sich die Herren von ganz oben auch noch als Opfer, weil sie Ablehnung erleben mussten, offenbar «Hassmails» erhielten und aus der Gunst von Bevölkerung und Medien gerieten. Beleidigt, unverständig, unfähig zur Selbstkritik – gegenüber dem eigenen autoritären Staatsverständnis, der völlig mangelhaften Kommunikation, vor allem: für die Nöte und Probleme der Betroffenen.

Im Gegensatz zu den Technokraten aus Politik und Verwaltung hat die örtliche Presse die Betroffenen aufgesucht und erschütternde Schicksale rapportiert, zum Beispiel von einem Mieter, der an der Lungenkrankheit COPD leidet und viel zu kraftlos ist, um noch einmal auf Wohnungssuche zu gehen. Oder von einem anderen Mann, der zusammen mit seiner chronisch kranken Mutter in der Wölblinstrasse wohnt und zu Protokoll gibt, dass «hier keiner wirklich weg will». Inzwischen hat er erfolgreich mit einer Petition begonnen.

Die «politisch Abgehobenen», wie ein Müllwerker sagt, haben mit Kritik und Protest der Betroffenen nicht gerechnet, offenbar auch nicht mit der Reaktion der Medien und schon gar nicht mit dem Ärger in der breiten Bevölkerung.

Im Aldi-Supermarkt in Lörrach-Stetten ist der intendierte «Mieterrauswurf» das beherrschende Thema – viele, vor allem aus der nahen Sozialsiedlung, haben Angst, dass ihnen das auch drohen könnte; die Verkäuferin in der nahen Bäckerei spricht von «Unverschämtheit», der Tankwart ergänzt, dass nicht wenige der Flüchtlinge bei ihm mit «SUV und Luxuskarossen vorfahren, ukrainische Nummernschilder», beim Markttag im Stadtzentrum entlädt sich ebenfalls die «Wut von unten».

Eine noble Dame am Fischstand im alemannischen Dialekt: «Wir leben hier seit immer, und nun sollen wir für Fremde weg». Wobei sie – mit Louis-Vuitton-Tasche – sicher nicht persönlich betroffen ist.

Im Übrigen und gewissermassen als i-Tüpfelchen: Das deutsche Mietrecht lässt eine Wohnungskündigung wegen Einwanderung gar nicht zu.

Die 3 Top-Kommentare zu "«Wut von unten»: In Lörrach sollen vierzig Mieter ausziehen, um geflüchteten Ukrainern Platz zu machen. Die Bewohner haben kein Verständnis – zumal nicht wenige der Flüchtlinge mit «SUV und Luxuskarossen vorfahren»"
  • eduardkeller

    Luxuskarossen von Ukrainischen "Einwanderer"sehen wir auch in der Schweiz. Die Ukraine ist sehr gross. Kommen diese "Einwanderer" wirklich aus dem unmittelbaren Kriegsgebiet? Welcher Journalist würde sich diesem Thema annehmen?

  • Mathilda63

    Zuerst werden Mieter vertrieben, kommen irgendwann Enteignungen oder "Zwangsvermietungen" z.B. von Zweitwohnungen oder zu grossen Wohnungen? Ich erinnere an die Worte von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: "Wir beschliessen erst einfach etwas, und wenn es keine allzu grosses Geschrei und Aufstände gibt, dann machen wir einfach weiter. Schritt für Schritt". Wehret den Anfängen.

  • Alpensturm

    So wird das Nährbett für einen Bürgerkrieg gelegt. Deutschland sollte endlich aufhören, sich selbst abzuschaffen. Meine Meinung.