Während der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj im Deutschen Bundestag eine Rede hielt, die er mit «Liebes deutsches Volk» begann, veröffentlicht das Handelsblatt Regierungsakten, die belegen, dass führende deutsche Volksvertreter sich diese wohlmeinende Anrede einst auf keinen Fall verdient hatten.

Es geht ums heikle Thema Nord Stream 2, jene Gaspipeline von Russland nach Deutschland, die vor bald zwei Jahren möglicherweise mit US-Hilfe in die Luft geflogen ist und die vorhandene Leitung Nord Stream 1 gleich mitgerissen hat.

Alle Ermittlungen, wer es wirklich war, verliefen bisher im Sande, aber immer klarer wird, dass das Projekt bis zum Regierungswechsel in Deutschland im Dezember 2021 ein Lieblingsvorhaben der Regierung Merkel gewesen war. Die Ukraine allerdings sah darin eine Bedrohung für ihre eigene Sicherheit, und sie sah vermutlich auch ihre Durchleitungsgebühren schwinden, die sie für das Weiterschicken von russischem Gas nach Westen über ihr eigenes Gebiet bekam.

Ein Bericht der deutschen Botschaft über die Debatte zu Nord Stream 2 in der Ukraine vermerkte im Mai 2021: Die Meinungen der Ukrainer seien eindeutig. Bei kaum einem anderen Thema sei das der Fall – «denn in Witzen heisst es nicht umsonst ‹zwei Ukrainer, drei Meinungen›». Ähnlich herablassend äusserten sich die deutschen Diplomaten laut Handelsblatt ein paar Monate später. «Unterhalb des Wunsches nach Verhinderung von Nord Stream 2» gebe es «keine Einigkeit über den Umgang mit der Situation». In die «Lösungsvorschläge der verschiedenen Akteure» flössen «regelmässig Eigeninteressen» ein.

Als es schliesslich darum ging, die neugebaute Pipeline zu zertifizieren, waren die Spitzenbeamten im damaligen Wirtschaftsministerium bemüht, das ukrainische Gasunternehmen Naftogaz aus dem Prozess herauszuhalten. Im Falle einer «Beiladung der Naftogaz» sei «mit einer unzumutbaren Verfahrensverlängerung zu rechnen», warnte ein Beamter laut Aktenlage. Das Urteil des Bundeswirtschaftsministeriums lautete: «Eine solche Verfahrensverschleppung» sei «nicht tragbar».

Das Ukraine-Bild, das sich da aus den Akten um den Nord-Stream-2-Bau ergibt, fasst das Handelsblatt so zusammen: Die Ukraine wurde nicht als junge, schützenswerte Demokratie betrachtet, sondern als korruptes, von Oligarchen beherrschtes Land, das der verlässlichen Versorgung Deutschlands mit russischem Gas im Wege stand.

Das «liebe deutsche Volk» und seine Vertreter jedenfalls – sie waren alles andere als Fans von Selenskyj.

Die 3 Top-Kommentare zu "«Zwei Ukrainer, drei Meinungen»: Neue Nord-Stream-Akten zeigen, wie Kiew die «Verhinderung» des Pipeline-Projektes wünschte und was die Bundesregierung darüber dachte"
  • kritisch2020

    Die Masken fallen seit 2020 täglich. Das ekelhafte Polittheater widert mich an. Diese Gesellschaftszerstörer sollten alle angeklagt werden. Kein vernünftiger Mensch will Streit oder gar Krieg. Nur die Machtelite braucht permanenten Zwist. Durchschaut endlich das schädliche Spiel. Aufwachen. Bitte. Alle.

  • Der Michel

    "Die Ukraine wurde nicht als junge, schützenswerte Demokratie betrachtet, sondern als korruptes, von Oligarchen beherrschtes Land, das der verlässlichen Versorgung Deutschlands mit russischem Gas im Wege stand." Wie man sich doch täuschen kann! Heute wissen wir ja, dass die UKR die Vorzeigedemograddie schlechthin ist. Gelle?

  • tofatula

    Zur Verwandlung von Saulus in Paulus Selenskyj braucht es sehr viel Unterstützung mächtiger Geldgeber. Dass Politiker (direkt und indirekt) käuflich sind ist schon fast universell und gilt besonders auch für Deutschland. Einer für wenige (Landesinteressen ausgenommen), aber alle Steuerzahler für ihn.