Bern

Die Ausgleichsfonds AHV/IV/EO sind für die Geld- und Vermögensverwaltung dieser drei Versicherungen zuständig. Die zuständige Behörde Compenswiss hat der UBS im Sommer die Wertschriftenverwaltung dieser Sozialwerke von gut vierzig Milliarden Franken entzogen und an die amerikanische State Street Bank International übertragen. Das rief Kritiker auf den Plan: Was passiert, wenn die Amerikaner Schweizer Vermögen einfrieren? Warum konnten sich die Bürger dazu nicht äussern, was mit ihrem Geld passiert? Macht sich die Schweiz zum Spielball der Interessen der globalen Supermacht?

 

«Eigentum bleibt bei den Kunden»

Parlamentarier wie Daniela Schneeberger (FDP) und Thomas Matter (SVP) reichten Vorstösse ein und verlangten vom Bundesrat eine Begründung für diesen ausserordentlichen Schritt. Matter wollte etwa wissen, weshalb der Bund das Geld von der UBS abgezogen hat, «nachdem derselbe Bund überaus froh war, dass die UBS im März 2023 die untergegangene CS übernommen hat». Gleichzeitig wurde in der zuständigen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit eine Reihe von Fragen an die zuständige Innenministerin Elisabeth Baume-Schneider gestellt. Die Antworten der SP-Bundesrätin liegen der Weltwoche vor.

Darin weist die Genossin die Verantwortung für die umstrittene Aktion von sich. «Die operative Verantwortung liegt bei Compenswiss.» Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben sei die öffentlich-rechtliche Anstalt nicht weisungsgebunden und eine inhaltliche Kontrolle ausgeschlossen. «Die Wahl der Depotbank liegt somit in der Kompetenz der Compenswiss», schreibt Baume-Schneider.

Was wäre, wenn die USA Sanktionen gegen die Schweiz verhängen würden?

Unfreiwillig komisch und wohl zur Beruhigung betont die Sozialdemokratin im Schreiben an die Nationalräte, «das Eigentum an den Vermögenswerten bleibt bei den Kundinnen und Kunden». Auf die Frage, wie die Compenswiss überhaupt auf die Idee gekommen sei, einen amerikanischen Konkurrenten einer Schweizer Bank vorzuziehen, antwortet die Sozialdemokratin, der Entscheid basiere auf einer Ausschreibung nach dem Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen und «damit auf einem gesunden Wettbewerb zwischen schweizerischen und ausländischen Unternehmen».

Baume-Schneider: «State Street Bank gewann die Ausschreibung aufgrund von Erfahrungen, technischer Kompetenzen, Preis-Leistungs-Verhältnis, Finanzkraft und Ruf des Finanzinstitutes.» Neben der UBS bewarben sich drei weitere hiesige Banken für den Auftrag. Eine zog sich laut Baume-Schneider zurück, eine konnte mit ihren Kompetenzen nicht überzeugen, und die Dritte war offenbar preislich nicht wettbewerbsfähig.

Dass der Entscheid, wie von vielen befürchtet, ein negatives Licht auf den Schweizer Finanzplatz wirft, glaubt die SP-Bundesrätin nicht: «Die Vergabe des Depotbankmandats an die State Street Bank stellt kein Reputationsrisiko für den Finanzplatz dar. Der Schweizer Finanzplatz sei für sein Vermögensverwaltungsgeschäft bekannt. «Diese Reputation wird durch die Vergabe nicht tangiert.»

 

Loch im Donut

Ein Zurück, wie es einige fordern, ist laut Baume-Schneider nicht möglich. «Die Mandatsvergabe liegt in der Kompetenz von Compenswiss und kann weder vom Bundesrat noch auf Antrag Dritter rückgängig gemacht werden.» Es gebe keine gesetzliche Handhabe, um auf diesen Entscheid zurückzukommen.

Wozu die Bundesrätin sich nicht äussert: Was wäre, wenn die USA Sanktionen gegen die Schweiz verhängen würden, weil sich die Schweiz zum Beispiel der amerikanischen Aussenpolitik widersetzt? Die Gefahr ist vorhanden. Weil die Schweiz im Ukraine-Konflikt nicht zu 100 Prozent parierte, erklärte der amerikanische Botschafter in Bern, Scott Miller, die Nato sei ein Donut – «und die Schweiz das Loch in der Mitte». Die Amerikaner kritisierten auch, die Schweiz würde die russischen Sanktionen zu wenig konsequent umsetzen. Immer wieder ist aus der Verwaltung zu hören, dass die Vereinigten Staaten es gerne sehen würden, wenn die Schweiz eines Tages – analog zu den Zwangsmassnahmen der Europäischen Union – auch die Sanktionen von Washington übernehmen würde.

Mit der Vergabe des Mandates der Depotbank State Street Bank haben die Amerikaner ein neues Druckmittel in der Hand. Diese Befürchtungen konnte Baume-Schneider nicht ausräumen.