2017 «überredete» die schweizerische Politik das Volk zur Annahme der Energiestrategie 2050. Diese sah den Ausstieg aus der Atomenergie und deren Ersatz durch neue erneuerbare Energien, Effizienz und Verzicht sowie, bedarfsweise, Gaskraftwerke und Importe vor. Sie war nach Fukushima (2011) konzipiert worden und blieb bis zur Volksabstimmung unverändert. Die klimapolitische Maximalverpflichtung der Schweiz zur «Netto-null»-Dekarbonisierung, die den Strombedarf explodieren lassen wird und schon 2015 bekannt war (Pariser Vertrag), wurde nicht berücksichtigt. Das Volk sah sich einer Irreführung und einem Grundlagenirrtum ausgesetzt.

Den Anforderungen der Dekarbonisierung begann der Bund im Stromsektor erst ab 2020 Rechnung zu tragen: Der Atomausstieg wurde auf unbestimmte Zeit aufgeschoben, die Energiestrategie in einen «Mantelerlass» umgewandelt und zur Dekarbonisierung umgewidmet (Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien) und die Produktionsziele für neue erneuerbare Energien für 2035 auf 35 Terawattstunden (TWh) vervielfacht.

Dazu wurden neue staatliche Fördermassnahmen sowie staatsrechtlich und demokratisch umstrittene Tricks zur Beschleunigung von Zubauten geschaffen: «Solarexpress», «alpine Solarparks» und «Windexpress». Diese stossen allerdings zurzeit auf harte Widerstände in der direkt betroffenen Bevölkerung. Im März wird das gesamte Volk in einer Referendumsabstimmung über den «Mantelerlass» befinden können.

Dabei wird Energiepolitik von einem beispiellosen Filz politisch instrumentalisierter Forschung beeinflusst. Schlagen die Proponenten der Energiestrategie etwas vor, wird dies stets innert Kürze durch Studien eines Teams aus Forschern renommierter Hochschulen und Beratungsunternehmen gestützt. Denn die früheren Bundesrätinnen Leuthard und Sommaruga und ihr Departement (Uvek) sowie das Bundesamt für Energie haben sich über Jahre ein riesiges Forschungsnetzwerk angebunden: 2012 bis 2020 wurden zwei nationale Forschungsprogramme für 45 Millionen Franken mit Energiefragen beschäftigt. 2013 bis 2020 kamen die Swiss Competence Centers for Energy Research (SCCER) zu Kosten von 70 Millionen hinzu und wurden 2021 nahtlos durch das Programm Swiss Energy Research for the Energy Transition (SWEET) abgelöst, bis 2032 mit 148 Millionen ausgestattet.

Alle Universitäten, technischen Hochschulen und viele Fachhochschulen wurden über Jahre mit «Forschungsaufträgen» alimentiert und so stabil auf der Seite der Auftraggeber gehalten (Aufträge in diesem Ausmass gibt es sonst in Energiefragen nirgends). Die Ausschreibungen zeigen deutlich: Die Studien haben zu zeigen, dass die Energiewende umgesetzt und wie für die einzelnen Vorhaben Akzeptanz geschaffen werden kann. Eine ergebnisoffene Prüfung sieht anders aus.

Die jüngste Studie* von SWEET-Forschern hat untersucht, mit welchem Produktionsmix an Solar-, Wind- und anderer erneuerbarer Energie sowie – besonders interessant – mit welcher Verteilung der betreffenden Anlagen in der Schweiz im Jahr 2035 die neu anvisierten 35 TWh am günstigsten erzeugt werden könnten. Erwartungsgemäss zieht sie den (erwünschten) Schluss, dass die Ökostromziele gemäss «Mantelerlass» erreichbar und politisch akzeptabel seien. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber, dass bei allen simulierten Produktionsstrategien Winterstromimporte um die 10 TWh und mehr nötig wären. Und sollte der Bedarf höher als geplant ausfallen, würden zusätzliche Importe nötig. Die Studie erweist sich, lapidar ausgedrückt, als Tautologie der Form: Kann die Versorgung gewährleistet werden, dann wird sie gewährleistet.

* Evelina Trutnevyte et al.: Renewable Energy Outlook for Switzerland. 2024 DOI: 10.13097/archive-​ouverte/unige:172640

Markus Saurer ist selbständiger Berater und Mitglied des Netzwerks Carnot-Cournot.