Rodrigo García: Abschied von Gabo und Mercedes. Erinnerungen an meinen Vater Gabriel García Márquez. Kiepenheuer & Witsch. 176 S., Fr. 29.90

Exakt zehn Jahre sind vergangen, seit Gabriel García Márquez im Alter von 87 Jahren in Mexiko-Stadt starb. Zu diesem Anlass beschreibt «Gabos» Sohn Rodrigo die letzten Monate, Wochen und Stunden seines berühmten Vaters. Ein fünftes Kapitel ist dem Tod seiner Mutter Mercedes gewidmet. Beide erlagen einem Krebsleiden.

In der deutschen Übersetzung umfasst das Büchlein lediglich 176 mit grossen Buchstaben und ebenso grosszügigen Zwischenräumen gefüllte Seiten. Der Verweis auf den Umfang ist nicht abschätzig gemeint. Doch mehr hätte es nicht ertragen. Rodrigo ist eben nicht Gabriel. Seine «Chronik eines angekündigten Todes» versucht gar nicht erst, sich am Original zu messen. Sie ist ein solides Stück Schreibhandwerk, nicht mehr, nicht weniger.

 

Drei Leben

Trotzdem ist das Bändchen lesenswert, nicht nur für Gabo-Aficionados. Gerade weil es so nüchtern daherkommt. Präzise wird das langsame Sterben eines grossen Mannes abgehandelt. Gabo weiss, dass die Uhr tickt, wenngleich eine fortschreitende Demenz ihn daran hindert, sich ständig daran zu erinnern. Das ist ihm bewusst, verdirbt Gabo aber die Laune nicht: «Alle behandeln mich wie ein Kind. Wie gut, dass ich das mag.»

García Márquez sagte einmal, jeder Mensch habe drei Leben: das öffentliche, das private und das geheime. Wirklich Intimes erfahren wir nicht, das Private nur wohldosiert. Während das Haus des Sterbenden von Journalisten belagert wird, bereitet seine Familie die Beisetzung vor. Gabo hat jede Reanimation verboten. Im katholischen Mexiko verlangt diese letzte Verfügung nach einer gewissen Diskretion. Ein würdiger Abgang ist gar nicht so einfach, wenn alle Augen auf einen gerichtet sind.

Gabriel García Márquez starb an einem Gründonnerstag. Genau wie Úrsula Iguarán, die Hauptfigur seines Meisterwerkes «Hundert Jahre Einsamkeit». Seine Ehefrau Mercedes folgte ihm sechs Jahre später. Lungenkrebs. Wenigstens gab es bei ihr eine Erklärung. Sie rauchte bis zu ihrem letzten Tag.