Helge Schneider: Der letzte Torero. Volkshaus Zürich, 7. 12.; Arosa, 9. 12.; KKL Luzern, 10. 12.; Kursaal Bern, 11. 12.; Stadtcasino Basel, 12. 12.

Gelegentlich greift sich auch der hartgesottenste Helge-Schneider-Fan an die schweissnasse Denkerstirn, um sich fassungslos zu vergewissern, ob er nicht doch zu des Wahnsinns kesser Beute geworden ist. Nee, also wirklich: «Katzenklo, Katzenklo, ja, das macht die Katze froh / Katzenklo, Katzenklo macht die Katze froh. / Willst du eine saubere Katze haben / Musst du im Geschäft nach Katzenklo fragen.»

Das war’s im Wesentlichen. Eine launig-schlaffe Kinderliednummer, musikalisch frugal garniert mit Heimorgel und einem Vibrafon-Solo. Nachdem das Liedlein 1994 in «Wetten, dass . . .?» vorgestellt worden war, knallte die Nummer durch die Decke – Helge Schneider war fortan ein Begriff. Wie bitte? Das im Land der Dichter und Denker!

Das ist fast dreissig Jahre her, und der Fall hat sich keineswegs von selbst erledigt. Helge Schneider is still on tour, und zwar erfolgreich. Alle, die je die anämischen Scherze des Meisters entgeistert über sich ergehen lassen mussten, blieben ihm offenkundig treu. Dafür gibt es Gründe.

 

Hauptberuf Musik

Zunächst einmal: Helge Schneiders Fleiss ist tatsächlich überwältigend. In dreissig Jahren absolvierte er mehr als dreissig Tourneen, drehte fast dreissig TV- und Filmproduktionen, veröffentlichte vierzehn Bücher, zwei Theaterstücke, daneben malt und zeichnet er emsig. Seine Skizzen sind wie Stempel; auch die flüchtig hingeworfenen sind in Witz und Durchführung typisch Schneider.

Er ist ein scharfer Beobachter, der mit Gespür den absurden Witz der Dinge und Menschen aufgreift.

Aber welche typischen Merkmale hat eine Schneider-Darbietung? «Mein Hauptberuf ist die Musik», hat der deutsche Comedian einmal gesagt. Schneider spielt mindestens eine Handvoll Instrumente, darunter und zuvorderst Klavier, Vibrafon, Gitarre, Schlagzeug und Saxofon. Keineswegs dilettiert er lediglich darauf herum, vielmehr hinterlässt er auch hier seinen Fingerabdruck. So zuletzt auf «Heart Attack No. 1», einem Album, das er zusammen mit dem britischen Drummer Pete York aufnahm – eine herrliche Sammlung von Unverwüstlichkeiten des «Great American Songbook».

Die krasseste Hommage gilt ausgerechnet dem exaltierten James-Brown-Klassiker «I Feel Good», den Schneider und York mit einer Verve und einer Virtuosität hindonnern, als gelte es, einen ganzen Partykeller zum Kochen zu bringen. Schneiders Lieblingsinstrument ist die Heimorgel – die spielt er aber so glanzvoll, dass an keiner Stelle auch nur der Anflug von Laienhaftigkeit entsteht.

Nehmen wir den Klassiker «Body and Soul». Natürlich ist er kein Wirbelwind wie Jimmy Smith – aber ehrlich? Nachdem man dessen Auftritt im «Small’s Paradise» von 1957 gehört hat, freut man sich auf Schneiders saukomische Verbeugung vor deutscher Wohnzimmer-Tanzmusik aus den fünfziger Jahren.

 

Palavern wie ein Kind

Denn da gibt es ein unumstössliches Wesensmerkmal im schneiderschen Kosmos, und das gilt ausdrücklich fürs Gesamtwerk: Der verschrobene Meister aus dem Ruhrgebiet ist ein scharfer Beobachter, der mit grossem Gespür den absurden Witz der Dinge und Menschen aufgreift, aber Schneider – und da gleicht er Loriot – stellt sich nie über die Macken, die er da präsentiert. Wenn er nun die besagten Evergreens aus seinem Blickwinkel vorstellt, spürt man immer, dass er dieses unverwechselbare Gedünst aus rotem Licht, Limoncello und der kauzigen Liebe zu Amerika aus den Partykellern von Mühlheim beileibe nicht verachtet, sondern geradezu herbeisehnt.

Erlebt man den Umtriebigen auf der Bühne oder hört man seine Kurz-Sketche auf Platte, fühlt man sich gelegentlich an die Scherzkultur der Frankfurter Schule der zeichnenden Poeten F. K. Waechter und F. W. Bernstein erinnert. Die besten ihrer Bildgeschichten endeten – mau. In der Pointenlosigkeit offenbarte sich die Hilflosigkeit ihrer Figuren, und genau diese Ratlosigkeit als Existenzform bildet die Grundlage für Schneiders tragikomische Scherzkeksereien. Da ist er ganz nah bei den Dada-Leuten – vielleicht liegen die Werke von Helge Schneider etwas näher an der Frittenbude.

Hört man seiner Musik zu – der Mann hat unzählige Alben herausgebracht –, denkt man bisweilen an einen Musiker, der versonnen für sich im Nebenzimmer spielt. Oder der unbeobachtet vor sich hin palavert wie ein Kind. Und sich gelegentlich selbstvergessen wiederholt und wiederholt, vielleicht um sich zu vergewissern, dass er noch im Raum ist (sein Vorbild war immerhin der Schweizer Clown Grock).

Dem Regisseur Max Reinhardt wird ein kluger Satz zugeschrieben: «Steck deine Kindheit in die Tasche und renne davon, denn das ist alles, was du hast.» Es scheint, Helge Schneider hat ihn wohl beherzigt.