Die Metzgerstochter der Nation kennen fast alle. Doch während die Schwyzerin Beatrice Egli nicht in die Fussstapfen ihrer Eltern trat und zuerst Coiffeuse und später Sängerin wurde, führt in Neuenegg im Bernbiet Claudia Jaun die Familientradition weiter. Dabei war es bei der 28-Jährigen alles andere als klar, dass sie einst diesen Weg einschlagen würde. Als Kind wollte sie nämlich Lehrerin werden. «Nach der Sekundarschule hatte sich dieser Berufswunsch aber verflüchtigt», sagt sie lachend. «Vielmehr wollte ich etwas mit den Händen machen, kreativ sein, praktisch arbeiten.» Deshalb absolvierte sie diverse Schnupperlehren, etwa als Floristin, Bäckerin-Konditorin oder Landschaftsgärtnerin. Aber keiner dieser Berufe überzeugte Jaun vollends. Erst, als sie in einen fremden Metzgersbetrieb reinschaute, merkte sie, dass sie für das Gute nicht in die Ferne schweifen musste.

Wichtig für die Kundschaft

«Ich machte die dreijährige Lehre zur Fleischfachfrau ausserhalb des elterlichen Betriebs», sagt sie. «Bei meinen Eltern in die Lehre zu gehen, war keine Option.» Obwohl die Eltern Kurt und Marianne die Berufswahl ihrer jüngeren Tochter begrüssten, hatten sie nie Druck ausgeübt oder ihre Entscheidung beeinflusst. Als Vertiefungsrichtung wählte Claudia Jaun Veredelung, weil gerade in diesem Bereich Fantasie und Kreativität besonders gefragt seien, sei es beim Herstellen eines Cordon bleu, beim Entwerfen spezieller Kreationen, beim Herrichten der Fleischtheke oder beim Dekorieren des Ladens. «Das Schlachten von Tieren kam für mich hingegen nie in Frage», erklärt Jaun.

Heute ist die junge Fleischfachfrau zufrieden und glücklich, in der Familienmetzgerei zu arbeiten. «Mir gefällt vor allem das Gesamtpaket», erklärt sie. Dazu gehören die Beratung der Kundschaft im Laden, das Kochen für das Catering, das Schreiben der Produkttafeln, das Beantworten von Mails, das Erstellen von Offerten und die Betreuung der sozialen Medien. «So kann ich meine Vielseitigkeit voll ausleben.» Mit den Aktivitäten der Metzg auf Instagram und Facebook werden vor allem jüngere Kundinnen und Kunden angesprochen. Und im Moment ist Jaun daran, eine Website aufzubauen. Dort wird dann auch zu lesen sein, dass das Fleisch, das verkauft wird, hauptsächlich aus der Region oder von Bauern aus der Schweiz stammt. «Wir wollen wissen, wie die Tiere leben, die wir verarbeiten. Das ist uns und unserer Kundschaft wichtig», sagt sie.

Vater und Mutter Jaun hatten die Metzgerei vor dreissig Jahren aufgemacht und anfänglich den Laden zu zweit geführt. Gegenwärtig arbeiten zwölf Personen mit je einem Hundert-Prozent-Pensum im Betrieb. Das hat auch damit zu tun, dass in Laupen und Thörishaus je eine Landi-Filiale beliefert wird, wobei die Jauns für die Bewirtschaftung der Fleischtheken zuständig sind und den Verkauf das dortige Personal übernimmt. «Man kann schon sagen, dass unsere Metzg überregional bekannt ist», sagt die junge Frau.

Auch vegane Bolognese im Angebot

Zu den Spezialitäten des Hauses, dessen Einzugsgebiet bis in den Kanton Freiburg hineinreicht, gehört das sogenannte Schlossbeindeckeli, ein Special Cut vom Stotzen des Schweins, das mit einer Hauswürzmischung und an einer Curry-Sesam-Marinade verkauft wird. Das Sortiment umfasst aber auch Grillkäse, vegane Bolognese-Sauce oder Vegi-Burger. «Wir versuchen, allen etwas Feines zu bieten, unabhängig von der individuellen Vorliebe», führt Jaun aus. «Das ist zeitgemäss. Ich esse ja auch nicht nur Fleisch, sondern ernähre mich ausgewogen.»

Bekanntheit erlangt hat Jaun auch, als sie 2013 bei den Schweizer Meisterschaften (heute Swiss Skills) der jungen Fleischfachleute und zwei Jahre später an den Europameisterschaften (heute Euro Skills) in den Niederlanden jeweils die Silbermedaille gewann. Im Team mit einer Kollegin sicherte sie sich gar den Europameistertitel.

Heute gibt Jaun ihre Erfahrung und ihr Wissen weiter und bereitet die Schweizer Delegation auf die Euro Skills vor. Und sie gibt im Ausbildungszentrum Spiez dem Nachwuchs Kurse, wie man eine kalte Platte perfekt zubereitet. Zudem tritt sie als Hobby zusammen mit ihrer Schwester, die in der Stadt Bern ein Restaurant führt, gelegentlich noch als Jodel-Duo auf. Immerhin gewannen die Geschwister 2010 den Kleinen Prix Walo in der Sparte Jodel.

Ihrem Beruf will Claudia Jaun unbedingt treu bleiben. Um die Metzg eventuell dereinst von ihren Eltern übernehmen zu können, lässt sie sich deshalb nebenberuflich zur Fachfrau Unternehmensführung KMU ausbilden.

 

 

 

 

 

Markus Zemp ist Präsident der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft. Über Claudia Jaun sagt er: «Sie steht als leuchtendes Beispiel für die erfolgreiche Zukunft der Schweizer Fleischbranche. Als junge Frau packt sie mit viel Begeisterung, Standhaftigkeit, Risikofreude und Kreativität zu. Mit ihren Produkten kommt sie bei den Kunden, den Fleischliebhaberinnen und Fleischliebhabern besonders gut an. Es ist Schweizer Handwerk auf höchstem Niveau und Genuss pur für die Kunden.»