Er hat den richtigen Zeitpunkt abgepasst, um seinen Rücktritt als Präsident der Mitte-Partei bekanntzugeben, der Zuger Nationalrat Gerhard Pfister – den ersten Arbeitstag im neuen Jahr, wenn politisch nicht viel los ist. Seine Partei hatte die Medien auf den Montag zu den traditionellen Dreikönigsgesprächen eingeladen, wo man über die Zielsetzung der Mitte für das Jahr 2025 informieren wollte. Aber dann preschte Pfister in einem Interview vor, in dem er seinen Rücktritt auf Ende Juni bekanntgab.

 

Auf tiefem Niveau stabilisiert

Damit war das Thema gesetzt, der Event umfunktioniert zur grossen Gerhard-Pfister-One-Man-Show. Er habe mit seinem Auftritt wieder einmal sein Gespür für Strategie und Timing bewiesen, jubelte Fernsehen SRF und feierte den Zuger Politiker ausserdem als ausgebufften Strategen ab. Die NZZ kommentiert schon fast ehrfurchtsvoll, in der Schweiz gebe es wenige, die das Funktionieren der Schweiz verstünden wie Pfister eben.

Einmal mehr scheint sich zu bewahrheiten, was man schon früher über den wendigen Zuger sagte – nämlich dass Pfister eine Art König Midas ist und alles, was er anfasst, rhetorisch zu Gold wird, wie auch die Ansage zu seinem Abgang im Juni, der ihm in den Medien wohlwollende Kommentare eintrug. Allerdings halten selbst seine Parteileute sein Gold für Blech, wenn ausgerechnet Pfister, der als Alleinherrscher regierte, den potenziellen Nachfolgern plötzlich den Ratschlag erteilt, für den nachhaltigen Erfolg der Partei sei es jetzt sehr wichtig, dass sie mehr Gesichter erhalte.

Noch nie harmonierten SVP und FDP besser als in den letzten Monaten.

Pfister hat der Partei seinen Stempel aufgesetzt. Es ist ihm zwar gelungen, die serbelnde CVP zu stabilisieren, aber nur, weil er sie mit dem noch schwächeren Wahlverein von alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf fusionierte. Bei den letzten Wahlen resultierte daraus ein Mini-Erfolg von 0,2 Prozent, der auch von Pfister selber komplett überschätzt wurde. Bei der ersten Delegiertenversammlung nach den Wahlen spielte sich der Zuger auf, als hätte er einen Erdrutschsieg eingefahren. Er warnte die FDP-Bundesräte Karin Keller-Sutter und Ignazio Cassis vor «rücksichtsloser Machtpolitik»: Wenn sich beide zur Wiederwahl stellten, müssten sie künftig Abstand von der «Blockpolitik» des rechten Lagers nehmen, polterte er.

Der Zuger versuchte erfolglos, die SVP zu isolieren, auch im Hinblick auf die bilateralen Verhandlungen mit der EU in der Mitte ein politisches Machtzentrum aufzubauen und gleichzeitig einen Keil zwischen FDP und SVP zu treiben, was ihm letztlich aber nicht gelungen ist. Noch nie harmonierten SVP und FDP besser als in den letzten Monaten.

 

Tief in der rot-grünen Zone

Wenn man genauer hinschaut, hat Pfister ausser der Fusion mit der BDP und dem Rebranding der CVP tatsächlich auch nicht sehr viel erreicht. Er habe bloss gemerkt, dass er mehr Applaus von den Medien erhält, wenn er sich nach links verneigt, so ein Kritiker. Er galt lange Zeit als Inkarnation des rechten Flügels der CVP, als Präsident wandelte sich Pfister aber zum progressiven Chef einer konturlosen Mittepartei, der die Partei tief in die rot-grüne Zone steuerte.

Dafür waren ein paar waghalsige politische Pirouetten notwendig. Stichwort «Wertepartei»: Das «C» (Christlich) stehe für eine Marke, zu der sich die CVP klar bekennen müsse, gab er als designierter neuer CVP-Präsident im April 2014 zu verstehen. Dann fusionierte er seine Formation mit dem gerauften Haufen BDP, liquidierte das «C» und nannte das neue Gebilde eine bürgerliche Partei mit sozialem Anstrich.

Stichwort «Ukraine-Krieg»: Als im Parlament die Diskussion zu indirekten Waffenlieferungen an die Ukraine aufkam, war die Mitte-Partei Feuer und Flamme dafür. Sie schlug eine Regelung vor, dass die Nichtwiederausfuhrerklärungen für Schweizer Rüstungsgüter nicht mehr gelten sollen, sofern die Waffen in die Ukraine gehen. Dabei gab diese Partei quasi den Ausschlag dafür, dass 2021 das Kriegsmaterialgesetz verschärft wurde.

Nun dankt er ab, genau zum richtigen Zeitpunkt, wie viele meinen. Denn besser werde es mit der Mitte-Partei nicht mehr.