Es war ein PR-Gag wie aus dem Handbuch für Öffentlichkeitsarbeit. Anfang Juni lud TV-Chefredaktor Tristan Brenn seine Journalisten zu einem Workshop ein. «Politisch objektiv berichten» lautete der pädagogisch wertvolle Titel des Online-Seminars.

Brenn kündigte das Kürsli für korrekten Journalismus mit grossem Tamtam an. Er reagierte damit auf die wachsende Kritik am Sender SRF, wonach dort politisch nicht objektiver Journalismus verbreitet sei.

Die billige PR-Aktion stiess bei der Basis auf wenig Resonanz. Von den 1500 TV-Journalisten des Deutschschweizer Fernsehens nahmen etwa 40 daran teil.

Sandro Brotz und Arthur Honegger nahmen nicht teil. Auch Nadine Woodtli und Nina Blaser blieben fern.

Brotz, Honegger, Woodtli und Blaser sind vier der TV-Journalisten, die dem Schweizer Fernsehen zuletzt scharfe Kritik einbrachten. Sie belegten mit ihren polemisch-links-grünen Aussagen alle Vorurteile über die politische Einseitigkeit des Senders.

«Haltung zu zeigen, gehört zur Aufgabe»

Bemerkenswert daran war, dass sie auch bei ihren verzerrten Beiträgen jeweils die volle Rückendeckung von Chefredaktor Brenn bekamen. Auf Brenn ist Verlass, auch wenn man den grössten Mist gebaut hat. Es gibt keinen andern Chefredaktor in den Schweizer Medien, der das eigene Angebot und die eigene Redaktion derart unkritisch betrachtet wie Brenn.

Besonders deutlich wurde diese Überheblichkeit beim berüchtigten Ausraster von «Arena»-Moderator Sandro Brotz. Brotz hatte 2022 den SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi als Rassisten beschimpft. Wörtlich: «Wir halten glasklar fest, dass das, was Sie gesagt haben, rassistisch war. Punkt. Ausrufezeichen.»

Chefredaktor Brenn nahm Brotz sofort und demonstrativ in Schutz. «Rassismus benennen ist keine Frage von Parteilichkeit. Haltung zu zeigen, gehört zur Aufgabe.»

Er ist ein Garant dafür, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen als unsympathisch rüberkommt.

Die Unabhängige Beschwerdeinstanz des Fernsehens sprach dann Klartext zur Rassismuskeule von Brotz und Brenn. Sie verurteilte diese als «irreführend» und als «Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht».

Es ist ein seltsames Berufsverständnis, das der oberste Journalist des Fernsehens permanent demonstriert. Wichtigste Aufgabe eines Chefredaktors ist ansonsten die interne Sicherung der Qualität. Brenn, seit 2014 im Amt, tut das Gegenteil. Er unterstützt mangelnde Qualität.

Nicht nur im Fall Brotz war das offenkundig. Letztes Jahr etwa stellte die «Rundschau» eine «geheime» Offensivstrategie der Schweizer Fliegertruppen vor, bei der befreundete Staaten attackiert würden. Wörtlich: «Bomben auf Tschechien: die Kriegsszenarien der Luftwaffe». Es war erfundene Agitprop der Journalistinnen Nadine Woodtli und Nina Blaser.

Wiederum war von Brenn nicht der kleinste Vorbehalt gegen die Fehlleistung zu hören. Auch hier musste er sich hinterher von der Ombudsstelle des Fernsehens desavouieren lassen. Sie hielt fest, das TV habe «den Sachverhalt in verfälschender Weise dargestellt» und dadurch «die Meinungsbildung des Publikums verfälscht».

Man könnte noch Arthur Honegger anführen, der seine links-grüne Weltsicht gern auch auf Twitter verbreitet. Der Moderator von «10 vor 10» rief zuletzt mit grossem Gestus zum Fleischverzicht auf, nachdem er sich zuvor fürs Gendern starkgemacht oder sich als Corona-Hardliner positioniert hatte. Auch er kann bei seinem ideologischen Aktivismus auf volles Verständnis seines Chefs zählen. «Jeder Journalist, jede Journalistin hat privat eine politische Meinung», beschönigt Brenn, aber das würde «keine Rolle spielen in der professionellen Berichterstattung».

Berufsleben in Zürich Seebach

Unter Brenn, das wissen inzwischen alle TV-Mitarbeiter, kann man sich alles erlauben. Auch beim grössten Quatsch, den man abliefert, ist Verteidigungsminister Brenn als Abwehrkraft zur Stelle.

Brenn unterscheidet sich mit dieser Larifari-Mentalität deutlich von seinen Vorgängern, die Fehler nicht bestritten, sondern bekämpften.

Ein Filippo Leutenegger war auf den Redaktionen gefürchtet, wenn er etwa die «Rundschau» für tendenziöse Beiträge zusammenpfiff und das auch publik machte. Ein Ueli Haldimann kritisierte öffentlich seine Bundeshausredaktion, wenn die sich mit Linksdrall an Ueli Maurer abarbeitete. Ein Diego Yanez rüffelte einen «Tagesschau»-Redaktor auch dann, wenn der auf Twitter die Kandidatur eines SP-Politikers mit einem «Bravo!» bejubelte.

Im Gegensatz zu seinen grosskalibrigen Vorgängern ist er ein reines Fernsehgewächs.

Dass dem unsicheren Brenn solche Courage fehlt, hat mit seinem Werdegang zu tun. Bis heute gibt es sechs TV-Chefredaktoren, seit dieser Job 1985 geschaffen wurde. Brenn hat von allen sechs den weitaus kleinsten journalistischen Rucksack. Im Gegensatz zu seinen grosskalibrigen Vorgängern, die auch in der Presse Karriere machten und im Ausland arbeiteten, ist er ein reines Fernsehgewächs, der sein ganzes Berufsleben im Zürcher Quartier Seebach verbrachte. Weder vor noch hinter der Kamera ist er dort je aufgefallen.

Brenn begann als Teilzeitmitarbeiter beim Bündner Privatradio Grischa, machte dann einen Stage beim Fernsehen und diente sich als Redaktor von «Tagesschau», «Arena» und «Rundschau» zum TV-Nachrichtenchef empor, bis er vor neun Jahren unerwartet Chefredaktor wurde. In dieser Rolle tauchte er publizistisch völlig ab. Es gibt in seiner Amtszeit, unfassbar für einen Journalisten, nicht einen einzigen Beitrag oder einen einzigen Kommentar von ihm.

Da waren seine Vorgänger schon ganz andere Kaliber. Erster Chefredaktor des Fernsehens wurde 1985 Erich Gysling. Er war erst Chef der «Tagesschau», leitete dann zehn Jahre lang das Auslandsressort der Weltwoche und kehrte danach zum TV zurück. Gysling, selber ein glänzender TV-Moderator, verordnete dem Schweizer Fernsehen eine Linie und brach das vormalige Gärtchendenken auf. Zuvor hatte ein Journalist der «Tagesschau» kaum je ein Wort mit einem Kollegen des «CH-Magazins» gewechselt.

Auf Gysling folgte 1990 Peter Studer, der frühere Amerika-Korrespondent und Chefredaktor des Tages-Anzeigers. Studer hatte wenig Ahnung von TV-Formaten, aber umso mehr Ahnung von journalistischen Berufsstandards. Er entwickelte die publizistischen Leitlinien von Sachgerechtigkeit und Objektivität, die neuerdings wieder verludern. Abstimmungen und Wahlen kommentierte Studer, seiner Position gemäss, am Bildschirm, obschon er wusste, dass das nicht seine grosse Stärke war.

1998 kam Filippo Leutenegger. Er gehörte zu den Mitgründern des linken Paradeblatts Wochenzeitung, bevor er zum «Kassensturz» wechselte und Italien-Korrespondent war. Dann erfand er die «Arena», mit der er, neben Bernard Thurnheer, zum grössten TV-Star seiner Epoche wurde. Als Chefredaktor war Leutenegger der Mann der grossen Kisten. Unter ihm entstanden die Abstimmungs- und Wahl-Events im Studio Zürich mit ihren Elefantenrunden. Seine grossen Kisten moderierte er gerne selbst.

Nach Leutenegger ging es etwas ruhiger zu in der Chefredaktion. Der nüchterne Ueli Haldimann übernahm 2002. Er war Sendeleiter von «10 vor 10», wechselte dann als Chef zur Sonntagszeitung und in derselben Position zum schwedischen Pendlerblatt Metropol, bevor er TV-Chefredaktor wurde. Auch Haldimann kommentierte selber am Bildschirm, obschon er wusste, dass er eher hölzern rüberkam. Haldimann war unduldsam gegenüber journalistischen Regelverstössen, auch dies der Gegensatz zu heute.

Es folgte 2011 Diego Yanez. Yanez arbeitete als Journalist beim Vaterland und bei der Sonntagszeitung. Beim Fernsehen wurde er bekannt als Nahost-Korrespondent in Jerusalem, bevor er in Zürich in die Führungsebene von «10 vor 10» wechselte. Als Chefredaktor baute Yanez die Online-News stark aus, zum Verdruss der Zeitungsverleger, die diese neue Konkurrenz gar nicht schätzten. Nach nur drei Jahren wechselte er überraschend als Direktor zur Journalistenschule MAZ, und sein Stellvertreter Brenn rückte unversehens nach.

Unter Attacke wie nie

Mit Brenn hat sich vor allem eines verändert: Das Schweizer Fernsehen ist unter Attacke wie nie bei seinen fünf Vorgängern. Man traut dem Fernsehen keine Fairness mehr zu. Die Zahl der Beschwerden und Beanstandungen gegen den Deutschschweizer Kanal ist unter Brenn auf über 1500 Fälle pro Jahr explodiert. Bei seinen Vorgängern waren es um die 200 im Jahr.

Natürlich hat das mit einem verschärften politischen Klima zu tun. Aber viel hat es auch mit Brenn zu tun. Wenn der Chefredaktor jeden kleinesten Fehler abstreitet, wenn er auch berechtigte Kritik rundweg zurückweist, wenn er durch die Bank rechthaberisch auftritt, dann entsteht das Bild einer selbstherrlichen und arroganten Institution, wie es SRF heute repräsentiert. Brenn, der Verteidigungsminister, blockiert stur die wichtige Diskussion um den gebührenfinanzierten Journalismus, statt diese Diskussion offen zu führen und zu fördern.

Soeben ist die Initiative «200 Franken sind genug» zustande gekommen, mit der die TV-Gebühren reduziert werden sollen. Wenn darüber im Jahr 2025 abgestimmt wird, dann können die Initianten nur hoffen, dass Tristan Brenn immer noch im Amt ist. Er ist ein zuverlässiger Garant dafür, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen als unsympathisch rüberkommt.

Der Chefredaktor des Schweizer Fernsehens ist ein sicherer Wert für die Gegner des Schweizer Fernsehens.