Die Russische Föderation hat gegen Kurt Pelda, Kriegsreporter von CH Media und ehemaliger Weltwoche-Journalist, ein Verfahren eröffnet. Ihm wird vorgeworfen, bei Kursk illegal die russische Grenze überquert zu haben. Auch gegen andere Journalisten, unter anderem aus Frankreich, laufen Verfahren in dieser Sache. Pelda gibt sich kämpferisch: «Ich lasse mich nicht einschüchtern», sagt er in den Zeitungen von CH Media. Und er kündigt an: «Wenn sich wieder eine Gelegenheit bietet, mit den Ukrainern nach Russland zu fahren, werde ich die wohl wahrnehmen.»

 

Heldenerzählung eines Verlagshauses

Sein Arbeitgeber gibt ihm Rückendeckung und interpretiert den Fall als Schulbeispiel für die Gefährdung der Pressefreiheit durch ein autoritäres Regime. «Der Kreml verschärft den Kampf gegen den unabhängigen Journalismus», so Chefredaktor Patrik Müller. «Wir protestieren gegen das Vorgehen der russischen Regierung und die Einschüchterungsversuche.» Weiter schreiben die Blätter von Verleger Peter Wanner: «Seine Wut über den ukrainischen Einfall ins russische Grenzgebiet lässt der Kreml nun an Journalisten aus.»

«Sämtliche Fotos müssen vor der Publikation dem Verteidigungsministerium vorgelegt werden.»

Es bleibt Pelda und seinem Verlag unbenommen, die Dinge so zu deuten. Allerdings stellen sich Fragen, die in dieser Heldenerzählung – hier der furchtlose Herold der freien Presse, dort die finstere Unterdrückungsmaschinerie des Putin-Staats – unter den Tisch fallen. Es fängt damit an, dass der Schweizer Reporter offensichtlich gegen russische Gesetze verstossen hat, indem er ohne Genehmigung die Grenze überquerte. Pelda hat nicht in Abrede gestellt, dass er ohne gültige Einreisepapiere nach Russland gelangt ist. Auch reiste er nicht als Privatperson auf eigene Faust nach Russland, sondern mit ukrainischen Truppen, die bei Kursk auf russisches Territorium vordrangen. Auch dies bestreitet Pelda nicht. Dass er tatsächlich mit der ukrainischen Armee auf das Hoheitsgebiet der Russischen Föderation vorstiess, belegen seine Reportagen aus der Oblast Kursk, unter anderem aus Sudscha.

Damit verbunden ist die Frage, inwiefern es sich bei dieser Berichterstattung im Verbund mit ukrainischen Truppen um «unabhängigen Journalismus» handelt. Auch hier können wir auf Aussagen des Reporters selbst zurückgreifen. «Nun hat Kiews Armee eine Gruppe in- und ausländischer Journalisten versammelt, um sie in zwei türkischen Panzerwagen nach Sudscha zu fahren», berichtete Pelda am 1. September 2024. «Anders als bei unseren Reportagen aus den ukrainischen Kampfgebieten, wo wir uns jeweils frei und ohne Begleitung durch bewaffnete Aufpasser bewegen, handelt es sich diesmal um eine geführte Reise mit strikten Bedingungen: kein Filmen durch die Scheiben des Panzerwagens, striktes Befolgen der Befehle der ukrainischen Begleiter und keine Bewegungsfreiheit.»

Die Amerikaner nennen diese Form von gelenkter, begleiteter, überwachter Kriegsberichterstattung embedded journalism, eingebetteten Journalismus. Was Pelda in seinem eigenen Fall beschreibt, ist solch eingebetteter Journalismus in Reinkultur. Die ukrainische Zensur passe «streng auf», lesen wir bei ihm. «Sämtliche Fotos und Videos müssen vor der Publikation dem ukrainischen Verteidigungsministerium vorgelegt werden.» Dabei seien mehrere Bilder «zensiert» worden. «Ausserdem mussten wir eine zweisekündige Videosequenz entfernen, die ein blaues russisches Postauto zeigt.»

 

«Ganzes Spital in die Ukraine gezügelt»

Hinzu kommt ein weiterer Aspekt. Bekannt ist, dass Pelda nicht bloss als Reporter in der Ukraine tätig ist. Er berichte «nicht nur über das Kriegsgeschehen, sondern bringt auch Hilfsgüter in die Region», heisst es auf der Website des Vereins Swiss UAid, den Pelda gegründet hat. Er liefere «Autos für die Verteidiger», konnte man im Journal 21 lesen. Und die NZZ schrieb schon vor gut einem Jahr, es sei «nicht übertrieben, zu sagen, dass Pelda und Swiss UAid ein ganzes Spital» aus der Schweiz in die Ukraine zügelten. Die Möbel und Geräte stammten vom See-Spital in Kilchberg.

Die Frage bleibt also: Wie frei und unabhängig ist ein Journalismus, der sich von einer kriegführenden fremden Armee versammeln, führen, befehlen und zensieren lässt? Wie frei und unabhängig ist ein Journalist und Kriegsreporter, der als Politaktivist eine eigene Nachschublinie betreibt und öffentlich zu Protokoll gibt, sich in der Ukraine sicherer vor den Russen zu fühlen als in der Schweiz? Wäre diese Sicherheit unter den Bedingungen des Kiewer Kriegs- und Zensurregimes auch dann garantiert, wenn Pelda nicht nur über russische, sondern auch über ukrainische Kriegsverbrechen berichten würde? Der Eindruck verdichtet sich, dass sich hier ein sich unabhängig gebender Journalist, der den Vorwurf weit von sich weisen würde, in irgendeiner Form einseitig und parteiisch zu sein, gerade in aller Öffentlichkeit selbst entzaubert.