Er hat Geldpolitik und Nationalbank zu Themen gemacht, bei denen plötzlich viel mehr Leute mitreden als früher, auch junge. Zehn Jahre lang hat sich Fabio Canetg in Büros und Hörsälen wissenschaftlich mit Theorien des Geldes, der Notenbanken, Zinsen, Wechselkurse und internationalen Finanzen beschäftigt – wie viele Kolleginnen und Kollegen auch. Aber es gibt einen Unterschied: Der 34-jährige Canetg fesselt heute mit seinen Ausführungen auch ein Laienpublikum, und das liegt nicht nur an der jugendlichen Frische oder am Bündner Dialekt.

Er hat gesehen, wie die Geldpolitik in den fünfzehn Jahren seit der Finanzkrise brisanter und gewagter wurde, wie immer mehr Geld ins System kam und wie man dies spannend erzählen kann. Kurz vor Corona hat er 2020 auf dem Portal Swissinfo den «Geldcast» aufzubauen begonnen. Da bespricht er Geldpolitik, oft mit Interviewpartnern aus der Finanz- und Notenbankwelt, von denen normale Leute sonst nie etwas hören würden.

«Mittlerweile ist es eine Riesenkiste», sagt Canetg. «Neben den Interviews haben wir Kurzformate, Live-Events, Videos. Das Format ist quasi explodiert, die Hälfte meiner Arbeitszeit gilt dem ‹Geldcast›.» Und Ende 2022 hat er den Podcast «Börsenstrasse Fünfzehn» (die Zürcher Adresse der Nationalbank) gestartet, in dem er mit der jungen Finanzexpertin Alexandra Janssen (Ecofin) die geldpolitische Aktualität bespricht – oft sind sie gegensätzlicher Meinung, die Würzung stimmt, die Hörer erleben, wie vielfältig Meinungen zu Inflation, Zinsen oder Notenbanken sein können.

«Ich wollte nach Bern»

Er erhalte viele Reaktionen aus seinem Fach, aber auch Anfragen von Parlamentariern, ob er mal in Bern vorbeikommen könne, um die Sache etwas genauer zu erklären. Echo komme auch aus Banken und Firmen. «Mein Ziel ist, dass eine Banklernende im dritten Lehrjahr uns versteht, daran orientieren wir uns.» Da kennt er sich aus, er hat selber das KV gemacht, bevor er die akademische Karriere begann – über die damals noch neue Passerelle. Canetg war der Erste seiner Familie, der an die Uni ging. Aufgewachsen ist er in Thusis, «in einem wunderschönen Tal, ich hatte es gut da, aber es war mir dann ein bisschen zu eng. Ich freute mich darauf rauszugehen. Im Grunde bin ich ein Städter, der in den Bergen geboren ist.»

Hatte er schon immer das Ökonomiestudium im Sinn gehabt? «Zuerst wollte ich Jurist werden», sagt er, weil er Bedenken hatte bezüglich Mathematik, «dann sah ich aber, dass ich nicht so schlecht war in Mathematik.» Und weshalb wählte er die Uni Bern? «Ehrlich gesagt, ich habe nicht die Universität ausgewählt, sondern die Stadt. Ich wollte einfach nach Bern.»

Später im Studium aber habe er sich dann bewusst für das Berner Programm in Makroökonomie entschieden. Dann erhielt er eine Dissertationsstelle bei Fabrice Collard, der heute in Toulouse arbeitet; enorm viel habe er von ihm gelernt. Prägend waren für ihn auch die Professoren Aymo Brunetti und Luca Benati. Die Dissertation war über Geldpolitik. Die Uni Bern war und ist eng verbunden mit dem Nationalbank-nahen Studienzentrum Gerzensee, Canetg wechselte hin und her, zuerst als Doktorand, der von weltberühmten Gastprofessoren lernte, später als Tutor und Lehrperson – in bester intellektueller Atmosphäre und mit tollem Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau. Heute hat er Vorlesungen an der Universität Neuenburg und andere Lehraufträge.

Fuhr Canetg also rasch Vollgas auf der Ökonomie-Spur? «Ich habe mein ganzes Studium hindurch Volkswirtschaftslehre gemacht, aber meine Freundinnen und Freunde kamen vor allem aus der Politologie und der Soziologie. In der ganzen Studienzeit hatten wir unsere Mittwochnachmittag-Treffen im ‹Länggass-Stübli› in Bern, einer Beiz, die von einem St. Moritzer geführt wurde.» Und er habe sehr viele Kolleginnen und Kollegen, die in Graubünden leben, daneben viele in der linken Szene in Bern. Beruflich von Akademikerinnen über Lokführer, Schreinerinnen, Informatiker, das ganze Spektrum. «Das macht das Leben anstrengend, aber auch sehr interessant.»

Nun doch noch die Frage an ihn, der die Nationalbank bisweilen forsch kritisiert: Welche Zentralbank hat ihren Job seiner Ansicht nach am besten gemacht in der Zeit seit der Finanzkrise? Canetg denkt nach und sagt dann: «Die Schweizerische Nationalbank hat es am besten gemacht. Fehler gab es bei allen, ganz verschiedener Art», sagt er, aber gemessen am vorgegebenen Ziel stehe unsere Nationalbank bei Inflation und Geldwert am besten da.

 

Rudolf Strahm, 79, Dr.h.c., Nationalökonom und Chemiker, ehemaliger Nationalrat und Preisüberwacher, zählt zu den profiliertesten sozialdemokratischen Politikern und Autoren. Zu Fabio Canetg sagt er: «Er gehört zu den wenigen Nachwuchsökonomen mit Öffentlichkeitswirkung, ragt aus der Masse der angepassten Dissertanden und Habilitanden heraus, die sich ängstlich mit belanglosen wissenschaftlichen Publikationen die akademische Leiter hinaufschieben. Man kann Canetg weder links noch rechts einordnen, er wagt nach allen Richtungen kritische Rückfragen.»

Die 3 Top-Kommentare zu "So spannend kann Geldpolitik sein"
  • werner.widmer

    Interessanter Artikel, wird aber sofort durch das Gendern verunstaltet. Es gibt nur Lehrlinge und da sind Frauen immer eingeschlossen; Studenten genauso. Eigentlich sollten solche Texte nur noch in English sein, den da gibt's dieses Gendern nicht.

  • Mike8049

    Warum man für die inklusive Schreibweise den Anglizismus „Gendern“ verwendet? Weil das generische Maskulinum bei Halbgebildeten unbekannt ist. Sie beherrschen nicht einmal die deutsche Sprache nicht, wollen aber die Welt verändern.

  • hegar_002

    Die SNB hat den CHF nachhaltig geschwächt, indem sie massiv(!) in den Markt eingegriffen hat und ,auf Teufel komm raus‘, Euros gekauft hat. Damit befindet sich der CHF in ähnlich stürmischen Gewässern wie der Euro selbst. Und: Nun ist der CHF auf Gedeih und Verderb an den Euro gebunden, weswegen ich die Leistung der SNB unter dem Strich als katastrophal einstufe und wir, die ganze CH, uns fragen müssen, wem hat diese desaströse Geldpolitik genutzt?! Dem Moloch EU etwa? Und den Grosskonzernen?