Neulich war ich mit Freundinnen zum Abendessen in einem traditionsreichen Zürcher Lokal. In einem Moment brach unkontrolliertes Gelächter aus uns heraus und sorgte für Nackendrehungen am Nachbartisch. Der Auslöser war die Phrase: «Das zeigt eine Studie.» Wir sprachen über das Putzen, wobei eine von uns eine leicht obsessive Neigung hat – und ich fragte, ob sie wisse, dass Menschen mit einem Hang zu extremer Ordnung zu Rassismus neigten, das zeige eine Studie. Wir glucksten laut. «Das zeigt eine Studie!» – so köstlich wie das Wiener Schnitzel. Vielleicht sollte man seine Wohnung also nicht zu akkurat aufräumen – man weiss ja nie, ob irgendwo ein Forscher lauert.

Tiefgreifende Studienergebnisse mit Weltveränderungspotenzial zeigen auch, dass Käseliebhaber einen höheren IQ haben, Katzenbesitzer klüger sind als Hundebesitzer (mein Gos d’Atura widerspricht lautstark). Ebenso, dass mehr finanzielle Mittel für Bildung zu besseren Leistungen von Schülern führen, während andere Studien zeigen, dass mehr finanzielle Mittel nicht unbedingt die Bildungsqualität von Schülern verbessern. Studien haben herausgefunden, dass gewalthaltige Videospiele zu aggressivem Verhalten führen können, andere Studien stellen keinen Zusammenhang zwischen gewalthaltigen Videospielen und aggressivem Verhalten fest. Weiter brachte Forschung ans Licht, dass politische Massnahmen zur Förderung von Gendersprache positive Auswirkungen auf die Einstellungen der Gesellschaft haben. In sämtlichen Umfragen der letzten 100 000 Jahre lehnt zwar eine überwältigende Mehrheit das Gendern ab. Aber letztlich beweist das ja nur, dass gut 80 Prozent von uns unsensible und respektlose Zeitgenossen mit den «falschen» Einstellungen sind.

Ich mag Wissenschaftler, vor allem wenn sie graue Schläfen haben und Nickelbrille tragen – so wie Gil Grissom in «CSI: Las Vegas». Unheimlich sexy, der Typ. Ich attestiere ihnen eine aufgeräumte Klugheit; Beweise sind nun mal Beweise, und viele Studien stammen ja von seriösen universitären Einrichtungen, wo zwar bei so manchen eine politische Schlagseite oder aktivistische Unterwanderung unübersehbar ist. Aber hey, solange ihre Studien das eigene Weltbild bestätigen, sind sie selbstverständlich vertrauenswürdig. Besonders wenn sie sich entlang der moralisch richtigen Linie bewegen, kann man sie uneingeschränkt glauben – egal, ob sie von Parteien oder Organisationen mit einer bestimmten Agenda in Auftrag gegeben wurden.

Solange Studien das eigene Weltbild bestätigen, sind sie selbstverständlich vertrauenswürdig.

Es scheint auch unerheblich, wenn Studien einander widersprechen. Oder Forscher manchmal dazu neigen, ihre Methoden oder Interpretationen anzupassen, um den Erwartungen der Studie oder des Auftraggebers gerecht zu werden. Vielleicht geschieht dies durch subtile Hinweise in den Fragen oder die gezielte Auswahl bestimmter Aspekte, um die Studienteilnehmer zu beeinflussen. Was wiederum dazu führen kann, dass Teilnehmer nicht das vollständige Bild erhalten und die Ergebnisse verzerrt und nicht repräsentativ sind, die Wissenschaft gelegentlich zur PR-Abteilung der Politik oder einer populären Bewegung wird – und bedeutende Medien die Studien dennoch unkritisch verbreiten. Und wer das alles kritisiert, ist sowieso ein Verschwörungstheoretiker.

Bleiben wir also dabei: Auf Studien kann man sich hervorragend in politischen Debatten berufen, um die eigene Position durch die selektive Auswahl von Informationen zu stärken oder die Glaubwürdigkeit Andersdenkender zu schwächen. Sie dienen Journalisten dazu, Leser in bestimmte Denkbahnen zu lenken, und Politikern, um mehr Regulierungen und Verbote durchzusetzen oder Steuergelder für ihre Anliegen einzustreichen.

Natürlich gäbe es ohne die Forschung keinen Fortschritt, auch das ist erforscht. Vielleicht ist «das zeigt eine Studie» trotzdem vergleichbar mit «das sagt der Doktor»: ein Versprechen von wissenschaftlicher Klarheit, aber oft so nützlich wie die magische Arznei, die viel beschwört, aber am Ende einen bitteren Geschmack im Mund hinterlässt und die Erkenntnis, dass es vielleicht nur heisse Luft war. Aber wie ich immer sage: Das ist nur meine Meinung, ich kann auch falschliegen – und alle anderen könnten im Recht sein.

Übrigens zeigen Studien, dass eine kontroverse Aussage, wenn sie dem Gegenüber eine alternative Sichtweise zugesteht, besser verstanden und weniger provokativ aufgenommen wird.

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Die 3 Top-Kommentare zu "Studien, Zahlen, Hokuspokus"
  • R. Sperb

    Diesem Artikel kann ich nur vollumfänglich zustimmen. Er ist , wie immer bei Tamera Wernli , sehr treffend formuliert.

  • Eliza Chr.

    Studien werden von irgendwem in Auftrag gegeben. Auf dieses Geld ist jede/s Uni/Institut angewiesen. So sponsern z.B. Pharmas den Unis jährlich Millionen, bes. für die med. Fakultät. Um diese Ausgaben zu rechtfertigen, kommen Studien immer so heraus, wie der Auftraggeber/Sponsor sie sehen will. Man könnte sie Lobbyisten für ihren Zweck nennen. Fazit: Auf eine Studie darf man sich nie verlassen. Z.B. Klima: Die Nasa sagt, die Erdtemperatur sei um 1.5° gesunken, 'Uni-Studien' das Gegenteil!

  • Jacob Tomlin

    Wenn Leute mit Interesse an geordneter Umgebung 'rassistisch' sind, dann sind Uninteressierte eben auch desinteressiert an Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Ordnung, die durch gewisse Immigration ausgehöhlt wird.