Über 200 besorgte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werben für das Klimaschutzgesetz, über das wir am 18. Juni abstimmen. Ihre zentrale Aussage: «Wir sind heute schon von den Klimaschäden betroffen, und diese werden sich verstärken.» Damit wiederholen sie das immer wieder vorgetragene Mantra klimabesorgter Menschen, dass wir gegenwärtig bereits unter den Folgen des menschengemachten Klimawandels leiden würden und dass es immer schlimmer werde.

Aber stimmt das eigentlich? Und vor allem: Wie misst man solche Schäden? Vielleicht geht Ihnen jetzt durch den Kopf: «Was sollen diese Fragen; es ist doch alles klar, die Wissenschaft ist fertig und eindeutig» – wenn dem so ist, zeigt es, wie sehr Sie bereits konditioniert sind, ohne Nachfrage davon auszugehen, dass die Klimafolgen für uns negativ und bereits spürbar sind.

Optimierte Schutzmassnahmen

Einer kritischen Nachfrage hält das Mantra aber nicht stand. Um das zu verstehen, müssen wir zuerst wissen, wie sich ein Schaden überhaupt manifestiert, der durch klimabeeinflusste Naturkatastrophen verursacht wird. Die Antwort: erstens und am schlimmsten durch den Tod. Und weil dieser unumkehrbar ist, bedeutet ein solcher Verlust eine der grösstmöglichen Tragödien, die uns zustossen können. Und zweitens durch materielle Verluste – zerstörte Häuser, zerstörte Infrastrukturen, zerstörte Wertsachen, Geldverluste et cetera.

Zu beiden Punkten gibt es Daten für die Schweiz in der sogenannten Unwetterschadens-Datenbank der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Die Aufzeichnungen dort gehen bis 1972 zurück. Noch weiter zurück führt eine WSL-Studie von 2017: «Todesfälle durch Naturgefahrenprozesse in der Schweiz von 1946 bis 2015». Unter Naturgefahrenprozessen verstehen die Forscher Hochwasser, Rutschungen, Murgänge, Felsstürze, Windstürme, Blitzschläge und Lawinen – ausser Hitzewellen also alles, was durch die Klimaerwärmung beeinflusst werden könnte.

Fazit der Forscher: Die Zahl der (nicht selbstverschuldeten) Todesfälle hat in dieser Zeit signifikant abgenommen. Das gilt ebenso, wenn man die Zahlen bis 2021 ergänzt. Interessant ist zu- dem, dass auch die Zahl der Naturkatastrophen um gut die Hälfte abgenommen hat. Die Studie zeigt also ein völlig anderes Bild als das, was uns immer wieder vorgesagt wird: In Wirklichkeit hat die Zahl der Naturkatastrophen in den letzten 75 Jahren in der Schweiz abgenommen, vor allem aber sind die dadurch verursachten Todesfälle signifikant zurückgegangen.

Offensichtlich gelingt es einem reichen Land wie der Schweiz, sich mit ständig optimierten Schutzmassnahmen immer besser gegen die Gefahr zu schützen, durch Naturereignisse zu Tode zu kommen. Was aber ist mit den grossen materiellen Schäden, die durch solche Schlechtwetter-Ereignisse hervorgerufen werden? Immer wieder liest man doch, dass solche Schäden immer grösser werden und unseren Wohlstand bedrohen.

Diese Meldungen berücksichtigen aber normalerweise nur kurze Zeiträume. Relevant ist aber eine Langzeitbetrachtung. Und eine solche präsentiert die Website der oben erwähnten Unwetterschadens-Datenbank des WSL. Dort findet man eine Grafik, die die jährlichen Schadenssummen von 1972 bis 2021 zeigt – einmal nominal und einmal teuerungs- bereinigt normalisiert auf der Basis von 2021. Dabei fällt auf, dass die Jahresresultate extrem schwanken: Neben dem schlimmsten Katastrophenjahr 2005 mit einer Schadenssumme von über drei Milliarden Franken gibt es Jahre, in denen alle Schäden zusammen weniger als 100 000 Franken betragen.

Die Menschen passen sich an

Mit den normalisierten Zahlen ist aber kein Trend auszumachen, was vom WSL bestätigt wird. Über die letzten fünfzig Jahre sind die zusammengerechneten Schäden, die durch Hochwasser, Murgänge, Rutschungen und Felsstürze verursacht wurden, immer innerhalb des gleichen Schwankungsmusters geblieben. Das ist umso erstaunlicher, als in dieser Zeit die Schweizer Bevölkerung um knapp 40 Prozent gewachsen ist und sich das Bruttoinlandprodukt (BIP) pro Kopf beinahe vervierfacht hat.

Bei einem derartigen Bevölkerungswachstum, verbunden mit einer massiven Zunahme des Reichtums jedes einzelnen Bewohners, mutet es wie ein Wunder an, dass die monetären Schäden wegen Naturkatastrophen nicht explodiert sind. Aber auch hier liegt die Erklärung bei der fantastischen Anpassungsfähigkeit der Menschen, die aber in einem solchen Ausmass nur spielen kann, wenn ein anhaltendes Wirtschaftswachstum vorhanden ist.

Dies alles scheinen die Klimabesorgten Wissenschaftler zu ignorieren, die für das Klimaschutzgesetz votieren. Ihre Grundthese, dass wir «heute schon von den Klimaschäden betroffen» sind – womit suggeriert wird, dass es bereits schlimmer geworden ist –, entpuppt sich im wissenschaftlichen Langzeitvergleich als falsch: In Wirklichkeit können wir uns immer besser vor negativen Klimafolgen schützen. Dies gilt ganz besonders bei den Todesfällen. Aber auch bei den wirtschaftlichen Schäden sind wir angesichts einer wachsenden Bevölkerung, die immer reicher wird, relativ betrachtet immer weniger betroffen.

Damit fällt das Fundament der Argumente der 200 Wissenschaftler in sich zusammen: ein guter Grund, das Klimaschutzgesetz abzulehnen.

Martin Schlumpf: Atomkraft – Das Tabu. Edition Königstuhl. 170 S., Fr. 24.–