Wie entdecke ich einen Wein, der aus einer mir wenig bekannten Gegend kommt, aus einem (für diese) ungewöhnlichen Traubensatz gebaut ist und von dem gerade mal 4000 Flaschen produziert werden? Im Fall des «Relógio», eines Roten aus dem Veneto, könnten einem ja noch die Weinführer weiterhelfen, aber bei denen ist’s wie im Internet: Man findet nur, wonach man fragen kann. Die Ca’ Orologio von Maria Gioia Rosellini, ein Weingut mit Agrotourismus, liegt in Baone, wo der Fuchs dem Hasen den Pelz wäscht, nämlich etwa dreissig Kilometer südlich von Abano Terme an der unteren Grenze des Naturschutzgebiets Colli Euganéi. Er setzt sich aus 80 Prozent Carmenère zusammen und 20 Prozent Cabernet Sauvignon. Dazu ist zu sagen, dass die Carmenère eine alte Traube aus dem Bordelais ist, die in Chile lange für Merlot, im Veneto für Cabernet franc gehalten wurde. Die Wahrheit liegt in der Mitte. Auf kargen Böden wie bei Rosellini bringt sie allerdings mehr, nämlich zusätzlich eine pikante mineralische Würze. Ende der Schulstunde, Zeit fürs Vergnügen. Denn die Cuvée von Signora Gioia (nomen est omen) ist ein solches. Gerade genug weit ab vom courant normal, dass der eigene Spass so gross ist wie die Verblüffung der Gäste. Zumindest jener, die nicht den «Gambero Rosso» und den «Guida del Espresso» auswendig im Kopf haben. Dort bringt es der «Relógio» auf die (in diesem Fall verdienten) drei Gläser resp. auf 18/20 Punkte. Ich brauchte einen, der mir aufs Pferd half. In diesem Fall war es Adrian Gatti von der Neftenbacher Weinhandlung Vinoversum. Der fiel mir schon auf, als ich vor Jahren einen suchte, der die mit nichts zu vergleichenden Weine von Barrie Smith und Judi Cullam aus dem westaustralischen Busch importiert (davon demnächst mehr). Der «Relógio» ist nicht ganz so ausgefallen. Aber auch er schmeckt wie nichts, was man kennt, und wie (fast) alles, was man sich wünscht. Tolle Vielfalt von roten Früchten und Kräutern in der Nase, saftig und dicht am Gaumen. Auch da ein ganzer Kräutergarten, aber nichts Krautiges. Die rechte Dosis Holz bei so viel Charakter. Ein Wein für alle, die sich nicht immer nur dem Mainstream entlangtrinken wollen.