Der Entwurf eines Berichts des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten, den dieser für das Europäische Parlament ausgearbeitet hat (aktuelle Weltwoche Nr. 25, S. 8), wirft Fragen auf. Denn er behandelt unser Land, wie wenn es den EU-Beitritt beschlossen und sich den Brüsseler Institutionen unterworfen hätte. Die Weltwoche hat dem Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) fünf Fragen unterbreitet, die erst nach Redaktionsschluss beantwortet wurden (hier in Fettschrift).

  1. Der Ausschuss begrüsst, dass sich die Schweiz den EU-Sanktionen angeschlossen hat und «damit von ihrer traditionell neutralen Haltung abweicht». Wie nimmt das EDA zu dieser Aussage Stellung?

Das Staatssekretariat des EDA hat in seinen Gesprächen mit den Berichterstattern und weiteren Mitgliedern des Europäischen Parlaments deutlich gemacht, dass die Übernahme der EU-Sanktionen gegenüber Russlands im Einzelfall geprüft werden und keine Abkehr von der üblichen Sanktionspraxis der Schweiz darstellt. Die Übernahme von EU-Sanktionen ist mit dem schweizerischen Neutralitätsrecht vereinbar.

  1. Der Ausschuss begrüsst, dass sich die Schweiz eng an die Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik (GSVP) anlehnt. Wie nimmt das EDA zu dieser Aussage Stellung?

Die Schweiz verfolgt eine eigenständige Aussen- und Sicherheitspolitik. Zur Stärkung von Wohlstand, Sicherheit und Frieden in Europa und der Welt arbeitet sie eng mit Partnern zusammen, die die gleichen Werte vertreten. In diesem Sinne koordiniert die Schweiz – wo sinnvoll und in ihrem Interesse – ihre aussenpolitischen Instrumente mit denjenigen der EU und ihren Mitgliedstaaten.

  1. Der Ausschuss wünscht, dass die Schweiz die Beschlagnahmung von russischen Vermögenswerten verstärkt. Wie nimmt das EDA zu dieser Aussage Stellung?

Am 15. Februar 2023 hat der Bundesrat von der Analyse einer verwaltungsinternen Arbeitsgruppe zu den durch Sanktionen blockierten russischen Vermögenswerten Kenntnis genommen. Die Analyse hält fest, dass die Konfiskation privater russischer Vermögenswerte, die nicht illegal erworben wurden, gegen die Bundesverfassung und die geltende Rechtsordnung verstösst. Bezüglich der Vermögenswerte des russischen Staates und insbesondere den Währungsreserven der russischen Zentralbank, verfolgt die Schweiz die Diskussionen auf internationaler Ebene und ist bereit, sich in diese einzubringen. Gestützt auf eine Aussprache zu den aktuellen Entwicklungen in der EU hat der Bundesrat der Verwaltung neue Prüfaufträge erteilt.

  1. Der Ausschuss hält fest, dass die EU besorgt sei über die uneinheitliche Umsetzung bestimmter Abkommen durch die Schweiz und die anschliessende Verabschiedung gesetzlicher Massnahmen und Praktiken, die mit diesen Abkommen, insbesondere mit dem Abkommen über die Personenfreizügigkeit, unvereinbar sind. Wie nimmt das EDA zu dieser Aussage Stellung?

Das Staatssekretariat des EDA hat in seinen Gesprächen mit den Berichterstattern und weiteren Mitgliedern des Europäischen Parlaments deutlich gemacht, dass die Schweiz den Vorwurf einer uneinheitlichen Umsetzung bestimmter Abkommen, namentlich des Freizügigkeitsabkommens (FZA), von sich weist.

  1. Der Ausschuss hält fest, dass die gemeinsame Gerichtsbarkeit zwischen der EU und der Schweiz die Voraussetzung für einen gemeinsamen Markt bilden. Wie nimmt das EDA zu dieser Aussage Stellung?

Die Schweiz und die EU haben «keinen gemeinsamen Markt». Die Schweiz hat einen selektiven Zugang zum Binnenmarkt der EU und führt derzeit Gespräche mit der EU-Kommission darüber, wir dieser Zugang – auf einer sektoriellen Basis – stabilisiert und weiterentwickelt werden kann. Als Grundlage der Gespräche dient der vom Bundesrat vorgeschlagene Paketansatz. In diesem Rahmen, zwecks Sicherung eines möglichst hindernisfreien Marktzugangs und zur Erhöhung der Rechtssicherheit insbesondere für die Schweizer Wirtschaft, ist die Schweiz bereit Hand zu bieten für institutionelle Lösungen, die in den bestehenden und künftigen Binnenmarktabkommen separat festzulegen und zu verankern wären.

Die 3 Top-Kommentare zu "Schweiz und die EU haben «keinen gemeinsamen Markt»: Aussendepartement korrigiert Berichtsentwurf des Europäischen Parlaments zu den Beziehungen EU–Schweiz"
  • fmj

    Doppelzüngigkeit in Reinkultur! Wie lange gedenkt unser Volk noch diese Lügen, dieses Verwirrspiel mitzumachen, wo ist er Volksaufstand? Wir waren dazu einmal fähig. Der meineidige BR katapultiert unser Land ins 19. Jhd. zurück, als die Schweiz arm und ein Auswanderrerland war. Das war's dann!

  • yvonne52

    Mir wird schlecht!

  • gerd mueller

    Das EU-Parlament spielt "Schwarzer Peter" und das EDA hält eben diesen begeistert in der Hand. Der Berichtsentwurf enthält Maximalforderungen der EU und drückt aufs Tempo. Wenn die Schweiz auf die Bremse tritt, dann gehen zwei Jahre wegen der Wahlen der Bundesversammlung, des EU-Parlamentes und der EU-Kommission ins Land. Danach wäre der privilegierte Marktzugang des Schweizer Maschinenbaus mangels Aufdatierung perdu und die Verhandlungsposition der EU weiter gestärkt. Leu wusste, warum sie ging