Wer missgönnt einer 36-jährigen Ministerpräsidentin, mal richtig abzuhotten?

Zumal sie ausweislich eines Drogentests stets clean war. Und ein Küsschen auf Hals oder Wange, also bitte.

Nein, was die Finnin Sanna Marin auslebt, ist im besten Sinn zeitgemäss: Spontanität, Selbstentfaltung und Selbstdarstellung. Errungenschaften der erfolgreichen Emanzipation von Konventionen, Schuldgefühlen und Selbstbescheidung.

Sanna Marins Generation steht für einen Zeitgeist, der als hedonistisch nicht falsch beschrieben ist: Work-Life-Balance, das gilt auch für eine Ministerpräsidentin.

Diesen Zeitgeist kennzeichnet die Spontanität der unmittelbaren Impulshandlung.

Das Gefühl, eins zu sein mit sich und der Welt.

Ich will. Ich darf. Ich kann. Mein Recht. Hier und jetzt.

Es ist ein extrem oberflächlicher Zeitgeist, unbefleckt von den Rückkopplungen der Verantwortung, der Rücksichtnahme, des Denkens vom Ende her.

Das verdeutlicht auch der finnische Nato-Beitritt.

Der Zeitgeist sagt: völlig richtig.

Russland führt einen Angriffskrieg, kann jederzeit gegen Finnland losschlagen. Gegen Schweden. Polen. Überall.

Die Nato verkörpert das Gute, ein Verteidigungsbündnis der Demokratien. Gesagt, getan.

Dass Neutralität im Angesicht schwieriger Nachbarschaft einen hohen Wert darstellt, ein aus historischer Perspektive vielleicht sehr bewahrenswertes Gut, fällt unter den Tisch.

Genau wie die mögliche Rücksicht auf die Amts-Aura der Ministerpräsidentin beim Drehen von Partyvideos.

Auch dass Finnland sich mit der Nato-Mitgliedschaft in neue, unabsehbare Abhängigkeiten begibt. Oder dass sich die nächste Generation in dreissig Jahren nostalgisch an neutrale Zeiten zurückerinnern könnte.

Nichts davon.

Die politische und intellektuelle Führung, und das nicht nur in Finnland, tanzt im Hier und Jetzt. Der Zeitgeist entscheidet autonom, spontan und moralisch; er weiss sofort, was gut und böse ist, falsch und richtig.

Für Rücksicht, Vorsicht und die doppelten Böden der Wirklichkeit bleibt keine Zeit.

Die 3 Top-Kommentare zu "Die finnische Party-Politikerin Sanna Marin verdeutlicht den Zeitgeist genau wie der Nato-Beitritt Finnlands: Die politische Führung tanzt im Hier und Jetzt. Für Rücksicht und Vorsicht bleibt keine Zeit"
  • frank

    Sanna Marin ist auch eine der sogenannten „Young Global Leaders“ des World Economic Forums von Klaus Schwab und Konsorten. Das sollte langsam aber sicher zu denken geben, dass soviele führende Politiker von verschiedensten Ländern alle zum gleichen Club gehören. Ich denke nicht, dass dies die Bevölkerungen der verschiedenen Ländern wirklich gut finden. In Zukunft müsste man vermehrt darauf achten, dass genau diese Politiker nicht gewählt werden.

  • jolly roger

    Wenn sie tagsüber an einer Supermarktkasse sitzen würde, könnte ich solches Verhalten akzeptieren. Genauso wenn Scholz Lastwagenchauffeur wäre oder Berset Servicemonteur, aber als Politiker sind sie im öffentlichen Leben. Sollten bestens geschult und informiert sein, Volkswillen vertreten und eine vorbildliche Position einnehmen. Aber was heutzutage in der westlichen Welt an Politik und Führung abgeht ist ungeheuerlich.

  • juerg.streuli

    Sanna Marin fehlt die Würde die finnische Ministerpräsidentin zu sein. Wer dem eigenen Ego derart freien Lauf lässt, dem fehlt das Niveau für das höchste Amt. Marin das Partygirl wird international nicht mehr ernst genommen und fügt damit Finnland immensen Schaden zu. Finnland pflegte seit dem Weltkrieg ein gutes Verhältnis zu Russland. Doch Sanna Marin fehlt jedes historische Bewusstsein. Deshalb macht sie das Billigste und Einfachste und hat Finnland in die Abhängigkeit der Amis geführt.