Die Vorfreude in der Schweiz auf den EM-Achtelfinal gegen Italien ist riesig – und der Optimismus fast noch grösser. Es ist, als habe das Unentschieden gegen Deutschland den Schweizer Fussball auf eine neue Wahrnehmungsstufe katapultiert. Die Erinnerungen an den gewonnenen Achtelfinal 2021 gegen Frankreich beflügeln die Fantasien zusätzlich.

Dies macht auch eine Umschau unter den (vermeintlich) grössten Experten klar: Der ewige Rekordtorschütze Alex Frei warnt zwar vor der italienischen Effizienz und Siegermentalität, er sagt aber auch: «Die Chance, Italien zu besiegen ist grösser als auch schon. Die Schweiz ist fähig, in den Final zu kommen.»

Peter Knäbel, deutscher Ex-Trainer und als Experte quasi der legitime Erbverwalter von Günter Netzer, erklärt die Schweiz ohne Umschweife zum Favoriten. Und Kapitän Granit Xhaka hat den Koffer erfahrungsgemäss ohnehin so gepackt, dass die Unterwäsche bis zum Morgen nach dem Finalabend reicht.

Dennoch bleibt nüchtern festzustellen: Selbst wenn Italien derzeit verzweifelt einen überragenden Stürmer sucht, die Squadra von Trainer Luciano Spalletti hat immer noch vieles, was eine grosse Mannschaft ausmacht: einen überragenden Torhüter (Gianluigi Donnarumma), eine weltmeisterlich strukturierte Verteidigung, eine Handvoll Spieler, die mit Inter Mailand soeben die Meisterschaft gewonnen hat – und mit Chiesa und Jorginho eben doch zwei Angreifer, die jederzeit den Unterschied ausmachen können.

Und Italien besitzt jene Abgebrühtheit und jenes Selbstvertrauen, das Sieger von Verlierern trennt. Wie Mattia Zaccagni gegen Kroatien den Ball in der 98. Minute zum Ausgleich in die Ecke zirkelte, war einer der magischen Momente des bisherigen Turniers.

Und da wäre noch die Statistik. Italien ist vierfacher Weltmeister und zweifacher Europameister. Die Azzurri wissen genau, wie man grosse Spiele gewinnt. Zwar holte die Schweiz zuletzt zwei ehrbare Unentschieden. Der letzte Sieg gegen den Nachbarn datiert aber aus dem Jahr 1993. Und an einer Endrunde wartet die Schweiz seit siebzig Jahren auf einen Erfolg – seit dem 17. Juni 1954 und der WM im eigenen Land.

Trotzdem. Wir blicken heute Abend mit gewölbter Brust gegen Berlin – und negieren auch, dass nur die Italiener ihre Hymne mit weltmeisterlicher Inbrunst singen.

Das Schlusswort gehört Cédric Wermuth, SP-Co-Präsident, schweizerisch-italienischer Doppelbürger und Fussballer im Herzen. Im Tages-Anzeiger sagt er: «Die Schweiz gewinnt, ich tippe auf ein 2:1. Und dann ist alles möglich.»

Ob das ein gutes Omen ist?

Die 3 Top-Kommentare zu "Die Schweiz will gegen Italien Fussball-Geschichte schreiben. Doch die Vergangenheit lehrt uns: Die Squadra Azzurra bleibt im entscheidenden Moment (meistens) unbesiegbar"
  • Letzte Bastion

    Wieso um Himmels Willen musstet ihr den Artikel mit der Erwähnung von Wermuth abschliessen. Ohne seinen Namen in meinen Gedanken war ich noch optimistisch für die Schweiz… aber jetzt…

  • herby51

    Die Italiener kochen auch nur mit Wasser.Hopp Schwyz!

  • Prigoschin

    Nichts als Söldnerwesen ist Fussball, dagegen war ich mit meinen Männern ein Kindergeburtstag.