Verteidigungsministerin Christine Lambrecht legte gestern ihr Amt nieder.

Klar waren gewisse Auftritte und Äusserungen suboptimal, klar hatte sie keinerlei Fachkompetenz. Aber das hatten die meisten ihrer VorgĂ€nger auch nicht. Die zudem – bekanntermassen – in handfeste politische Skandale verwickelt waren.

Schwerwiegende AffÀren hatte Lambrecht nicht, nur einige Fehler machte sie. Das muss man fairerweise sagen.

Bei ihrem Scheitern als Verteidigungsministerin kommen verschiedene Faktoren zusammen: Zum einen versteht sich Deutschland als eine pazifistische Zivilmacht mit einem ausgeprĂ€gten Desinteresse fĂŒr das MilitĂ€r. Das gilt auch fĂŒr viele deutsche Politiker, insbesondere bei den GrĂŒnen, die von MilitĂ€r nichts verstehen, weil sie es nie kennengelernt haben. Diese eigentliche Teilnahmslosigkeit gilt immer noch – trotz der lautstarken, aber angesichts des maroden Zustandes der Bundeswehr wenig glaubwĂŒrdigen Kriegs-Rhetorik mit Blick auf den Ukraine-Krieg.

Zudem war und ist der Verteidigungsminister in Deutschland schon immer der Buhmann der Nation. Der Schleudersitz der Republik.

Mit dem Ukraine-Krieg avancierte Lambrechts Ministerium unerwartet zum SchlĂŒsselministerium.

Was folgte, war eine ernĂŒchternde öffentliche Erkenntnis: Denn Deutschland hat in der Bundeswehr derzeit eine nicht einsatzbereite Armee ohne Munition, mit einer einzigen voll einsatzbereiten Brigade, mit zeitweise weniger Kampfpanzern als die Schweiz, wenig startklaren Jets und der kleinsten Marine der deutschen Geschichte.

Nur: DafĂŒr ist Frau Lambrecht gewiss nicht allein verantwortlich. Dass sich Deutschland nicht verteidigen kann, ist nicht nur ihr Versagen und besorgt mit Recht viele. FĂŒr die Verteidigungsministerin heisst das: Kleine Fehler fallen stĂ€rker ins Gewicht, vor allem angesichts der medialen Voreingenommenheit und der permanenten öffentlichen Beobachtung des Verteidigungsministers, die Frau Lambrecht in Ihren frĂŒheren Ministerverwendungen so nicht kannte.

Und Fehler des Verteidigungsministers werden in Deutschland öffentlich und ziemlich rĂŒcksichtslos ausgeschlachtet. Das ist bekannt.

Zum Beispiel der Fehler, dass Lambrecht anfangs und zögerlich nur Helme in die Ukraine geliefert habe – rĂŒckblickend eine verunglĂŒckte politische Entscheidung, die sie aber nicht allein fĂ€llte. Wenn man jetzt sagt, sie hĂ€tte gleich Panzer schicken sollen, ist das ziemlich selbstherrlich. Und politisch so gar nicht möglich.

Auch die ihr vorgeworfene fehlende Munition fĂŒr die Bundeswehr geht nicht aufs Konto Lambrechts: Der Bundeswehr fehlt es seit Jahren an Munition. Und sie wird auch Jahre brauchen, um wieder genug Munition fĂŒr die Landes- und BĂŒndnisverteidigung vorzuhalten. Das wird viel Geld kosten, denn auch die Depot-Organisation muss neu aufgebaut werden.

Die mediale Pauschalkritik an Lambrecht und die mediale HĂ€me greifen also zu kurz und sind nicht fair. Und der Kanzler ist sicherlich mitverantwortlich – auch fĂŒr die Personalentscheidung vor dreizehn Monaten.

Jetzt muss sich Kanzler Scholz mit der Nachfolge auseinandersetzen – eine nicht einfache Aufgabe zwischen Frauenquote und Fachkompetenz.

Der oder die neue muss auf den Schleudersitz. Man darf gespannt sein, ob und wie lange das gutgeht.

Auf jeden Fall muss der neue Verteidigungsminister den Finanzrahmen der Bundeswehr rauffahren: Das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen wurde immer als tolle Massnahme gepriesen. Die stolze Summe reicht aber bei weitem nicht aus, um die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr sicherzustellen und das Commitment zur Nato zu erfĂŒllen. Das wird eine Herkulesaufgabe mit oberster PrioritĂ€t fĂŒr den neuen Amtsinhaber.

Dann sollte der neue Verteidigungsminister besonnen und klug die militĂ€rische UnterstĂŒtzung der Ukraine vorantreiben. Diese darf nicht zur Perpetuierung der NichteinsatzfĂ€higkeit der deutschen StreitkrĂ€fte fĂŒhren. Das ist eine grosse Herausforderung angesichts des politischen Drucks.

Die Bundeswehr und die Sicherheit Deutschlands mĂŒssen dabei an erster Stelle stehen.

 

Erich Vad ist Ex-General, Unternehmensberater und Publizist. Zwischen 2006 und 2013 war er Gruppenleiter im Berliner Bundeskanzleramt und MilitÀr-politischer Berater von Kanzlerin Angela Merkel.

Die 3 Top-Kommentare zu "Fairness fĂŒr Lambrecht: Die mediale Pauschalkritik gegenĂŒber der scheidenden Verteidigungsministerin greift zu kurz. Nun ist es an ihrem Nachfolger, dass die militĂ€rische Ukraine-UnterstĂŒtzung nicht zu Lasten der Bundwehr geht"
  • Mad Maxl

    "Quotenfrau" Christine Lambrecht (SPD) war von Anfang an eine Fehlbesetzung, was allerdings bei der aktuellen "naiven" deutschen Regierung (Scholz, Faeser, Bearbock, ... ) kein Ausnahmefall ist. Man muss aber fair bleiben, denn die Hauptverursacher des enormen Schadens in der Bundeswehr bzw. in ganz Deutschland sind in 16 Jahren Merkel (CDU/CSU) zu suchen. Die mediale Pauschalkritik an Lambrecht zeigt nur wiedermal wie schlecht und unglaubwĂŒrdig die deutschen LĂŒgen-Medien arbeiten. ....

  • Ottfried Wallau

    Warum lebt Deutschland bevorzugt ‚auf Pump‘? Und warum belĂŒgen wir uns dabei selber? Die Regierung spricht nun von 100-400 Milliarden Euro ‚Sondervermögen‘ fĂŒr die Bundeswehr, als hĂ€tten wir irgendwo zufĂ€llig ‚Top-Immobilien in Top-Lage‘ geerbt. - Die Wahrheit ist aber, dass es sich hier um gewaltige neue zusĂ€tzliche ‚Sonder-Schulden‘ handelt. Der Neue Deutsche Militarismus: Waffen, Waffen, Waffen! Schulden, Schulden, Schulden! Beteiligung am Ukrainekrieg, LĂŒgen & Halbwahrheiten! - Warum? ✅

  • Mad Maxl

    "Die Bundeswehr und die Sicherheit Deutschlands mĂŒssen dabei an erster Stelle stehen" ? Nach 16 Jahren Regierung Merkel (CDU/CSU/SPD+FDP) ist "auch das" nicht mehr möglich ! Deutschland wurde durch Polit-Totalversager platt gemacht und die deutsche LĂŒgen-Presse hat dabei mitgeholfen ! Armes Deutschland, BĂŒrger wehrt euch endlich gegen diese Politik !