Thomas Hefti tritt ab. Der freisinnige StÀnderat aus dem Kanton Glarus war ein Mann der leisen Töne. Wohl zu leise. Denn der ehemalige PrÀsident der kleinen Kammer hÀtte durchaus eine Botschaft mitzuteilen. Dummerweise wurde er nie mit solchen Aussagen vernommen bis zu seinem zweitletzten Tag im Stöckli. Hier seine Rede vor seinen Ratskollegen, die wenig an die sonst von seiner Partei gemachten ErklÀrungen erinnert. Aber lesen Sie selbst:

«Ich gehörte nicht zu denjenigen, die den Bundesrat fĂŒr den Abbruch der Verhandlungen zum Insta (Rahmenabkommen mit der EU Red.) kritisiert haben. Ende 2018 haben Stimmen aus der Wirtschaft darauf gedrĂ€ngt, rasch zu unterzeichnen. Das Abkommen enthalte bestimmt eine KĂŒndigungsklausel, und von dieser mĂŒsse man halt Gebrauch machen, wenn das Abkommen nicht befriedige, war zu hören. Effektiv sah das Insta eine KĂŒndigungsmöglichkeit vor mit der Vorgabe, dass innert drei Monaten nach der KĂŒndigung eine Lösung zu suchen sei. Falls das nicht gelingen sollte, wĂŒrden das Insta und die Abkommen, die sich darauf beziehen, ein halbes Jahr nach dessen KĂŒndigung dahinfallen. Es braucht nach den Erfahrungen mit dem Brexit nicht sehr viel Vorstellungsvermögen, um sich auszumalen, dass eine solche kurze Zeitspanne bei weitem nicht ausreichen wĂŒrde, um eine neue Lösung zu finden. Eine KĂŒndigung des Insta wĂ€re fĂŒr die Schweiz somit mit grössten Risiken verbunden gewesen, das Abkommen unsererseits also faktisch kaum kĂŒndbar.

Die EU hĂ€tte eine solche KĂŒndigungsbestimmung jedoch als Hebel benĂŒtzen können, um von uns ZugestĂ€ndnisse zu erlangen. So hat die EU nĂ€mlich nicht gezögert, uns willkĂŒrlich aus dem Horizon-Abkommen auszuschliessen und zum Beispiel gegenĂŒber Israel zu diskriminieren, das auch nicht EU-Mitglied und dennoch bei Horizon willkommen ist. Damit zieht die EU bewusst eine Lose-lose- einer Win-win-Situation vor. Gleiches gilt fĂŒr das Stromabkommen: Unsere Pumpspeicherwerke und speziell Linthal 2015 wĂŒrden die Wind- und Fotovoltaikproduktion vor allem in Deutschland hervorragend ergĂ€nzen. Das Argument – das wollte ich hier sagen –, dass mit dem Insta Rechtssicherheit eingekehrt wĂ€re, ist deshalb stark zu relativieren. Nun sind wir heute in einer anderen Lage. Aber der Zwiespalt, vor dem wir stehen, zeigt sich schön in einem Beitrag des Direktors von Swissmem, dem Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, in der NZZ vom 11. Juli 2023. Er fordert eine rasche Stabilisierung unserer Beziehungen mit der EU mit den Bilateralen III bis Mitte August 2024. Vorab: Wer sich in Verhandlungen zeitlich derart einschrĂ€nkt, schwĂ€cht seine Position. Im gleichen Beitrag lĂ€sst der Direktor von Swissmem an der Politik der EU allerdings kaum einen guten Faden.

Zur Industriepolitik der EU mit Milliarden Subventionen schreibt er: â€čDieses subsidy race verschlingt Milliarden und treibt irrsinnige BlĂŒten.â€ș Swissmem fordert weiter eine StĂ€rkung der Berufsbildung, eine Grundschule, die wieder leistungsorientiert wird, einen flexiblen Arbeitsmarkt, FinanzstabilitĂ€t, auch eine Schuldenbremse und eine unabhĂ€ngige Nationalbank. Der Trend der EU geht aber in die gegenteilige Richtung. Es muss uns bewusst sein, dass wir uns ĂŒberall da, wo wir uns der Gerichtsbarkeit des EuGH unterstellen werden, die Möglichkeit fĂŒr andere Lösungen, als sie in der EU gelten, verbauen. Wir schalten in diesen Bereichen auch die Rechte des Bundesparlamentes und der kantonalen Parlamente sowie die Volksrechte aus. Wollen wir das? Wenn wir, falls die UnterhĂ€ndler das Paket dereinst einmal geschnĂŒrt haben, in einer AbwĂ€gung zum Schluss kommen sollten, dass eine Unterstellung unter die Gerichtsbarkeit in gewissen Bereichen zu akzeptieren ist, sollte das mit einer KĂŒndigungsbestimmung einhergehen, die den Vertrag weder fĂŒr uns faktisch unkĂŒndbar macht noch es der Gegenseite ermöglicht, uns mit einer KĂŒndigung zu erpressen.

Weiter bleibt zu bedenken, dass EU-Recht nicht in einem Zweikammerparlament entsteht, sondern nach wie vor vornehmlich durch die Kommission und in den Ministerratssitzungen erarbeitet wird, also von Vertretern der Exekutiven der Mitgliedstaaten. Heute jedenfalls ist das EuropĂ€ische Parlament noch kein vollwertiger Gesetzgeber, wie das zum Beispiel der Bundestag oder andere Parlamente sind. Wenn der Direktor von Swissmem ein Interview mit dem Satz â€čDie Welt verĂ€ndert sich und wird volatiler – was bleibt, sind unsere StĂ€rken Kundenorientierung, Innovationskraft, QualitĂ€t, ZuverlĂ€ssigkeit und Fleissâ€ș schliesst, so fragt sich, wie weit wir unsere StĂ€rken noch zur Geltung bringen können, wenn wir in immer grösserem Masse in die EU-Gesetzgebung eingebunden sind. Ich werde leider zunehmend skeptischer, ob es möglich ist, mit der EU eine Lösung zu finden, ohne dass wir das aufgeben, was uns ausmacht; nĂ€mlich den föderalistischen Staatsaufbau, den Milizgedanken, unsere weitgehenden demokratischen Rechte und eine im Vergleich mit dem Ausland ausgeprĂ€gte BĂŒrgernĂ€he der Verwaltung. Vielleicht gefĂ€llt es der EU nicht, dass es in ihrer Mitte ein Staatswesen wie das unsrige gibt.»

Die 3 Top-Kommentare zu "FDP-StÀnderat Hefti kritisiert in seiner Abschiedsrede die EU massiv. Schade, dass solche Töne vorher nie zu vernehmen waren"
  • Er haette diesen Kommentar schon vor zig Jahren abgeben koennen oder gar sollen! Alles, das er auflistet, sind die Fakten, die ein Abkommen mit der EU verunmoeglichen! Warum aber gibt es so viele Politiker, die trotz der klaren Faktenlage immer noch von einem Abkommen "traeumen?"

  • MacGyver

    Widerspiegelt unsere Politiker, im Amt will man gefallen, danach traut man sich ‌ Wo ist eigentlich unser Herr Doktor, der die Schweizer NeutralitĂ€t verschachert hat đŸ€ź

  • Anna Meier

    Was hat der die ganze Zeit im Stöckli gemacht?