Ich hab sie nicht gesehen und werde sie mir auch nicht anschauen, diese Ohrfeige in Hollywood zwischen zwei schwarzen dudes anlässlich der Oscarverleihung, die die Welt
gerade mehr erschüttern und empören zu scheint als diverse Bomben und Wirtschaftskriege hier und dort.

Der Schauspieler Will Smith war aufgestanden, auf die Bühne getreten und hatte dem Moderator und Komiker Chris Rock eine Ohrfeige verpasst, nachdem der einen Witz über die krankheitsbedingte Glatze von Wills Frau Jade Pinkett gemacht und gesagt hatte, dass sie prädestiniert wäre für die Fortsetzung des peinlichen Filmes «G.I. Jane», in dem eine kahlgeschorene Frau (Demi Moore) im US-Militär ihre Männlichkeit entdeckt und in der Schlüsselszene sagt: «Suck my dick», worauf sie dann vollumfänglich von den Männern als ihresgleichen akzeptiert und ihr fortan als Mann mit Titten und Frau mit Pimmel Respekt entgegen gebracht wird. Natürlich wäre es effektvoller gewesen, wenn nicht Will, sondern seine Frau Jade aufgestanden und Chris eine verpasst hätte, weil #Metoo und Würde und Grenzen für Männer aufzeigen und so weiter, all das, was heute halt gerade so angesagt ist diesbezüglich.
Aber Will stand auf und tat den Job in diesem Afro-Western, aus Ritterlichkeit wohl und vor allem auch aus Wut, und klatschte dem dreisten, seine Frau beleidigenden Chris eine vor den Latz. Das war’s auch schon. Danach sollen sie sich wieder vertragen haben.
Auch drei Tage danach gehen die Schallwellen dieser Backpfeife immer noch medial um die Welt, füllen Seiten in angesehenen Feuilletons und machen in Entrüstung, faseln von Moral und Ethik, der Selbstentlarvung Hollywoods als Bühne für Korrektheit und inszenierter Woke-Kultur und vor allem von paternalistischen Verhaltensmustern.
So what?

Will, der später, als er einen Oscar bekam, mehr Tränen vergoss als Zuschauer anwesend waren, ist ausgeflippt und hat dem motherfucker Chris im Smoking und vor laufenden Kameras eine abgedrückt, das ist alles.
Und es ist kein Grund, irgendwelche Diskussionen zu lancieren über toxische Männlichkeit, Machoverhalten und wie weit Beleidigungen von Comedians gehen dürfen. Wenn jede kleine Verfehlung unverzüglich ein moralisches Beben auslöst, wenn eine Ohrfeige inzwischen ausreicht, um den gesunden Menschverstand bewusstlos zu schlagen, sind wir im falschen Film und verlieren über kurz oder lang den Boden unter den Füssen.

Als konservativer Mann, der natürlich Gewalt in jedweder Form verabscheut, begrüsse ich dennoch grundsätzlich die Watschen-Aktion von Will, die selbstverständlich straffrei bleiben muss. Was ich ihm anlaste, ist, dass er denkt, er habe wie ein Gentleman gehandelt.

Aber als wahrer Gentleman hätte er abgewartet bis zur After-Show-Party von Vanity Fair, hätte sich vor Chris aufgebaut, ihm seine Meinung gesagt und dann ordentlich und wirklich filmreif eine in die Fresse reingeballert.
Das wäre, irgendwie, auch männlicher gewesen, ehrlicher und, endlich, auch einmal nicht nur eine Ohrfeige, sondern ein Schlag in die verlogene Visage unserer Zeit.

Die 3 Top-Kommentare zu "Hollywood-Ohrfeige: Will Smiths Watsche ist kein Grund, irgendwelche Diskussionen zu lancieren über toxische Männlichkeit. Wenn jede kleine Verfehlung unverzüglich ein moralisches Beben auslöst, um den gesunden Menschenverstand bewusstlos zu schlagen"
  • raedi butz

    Mal angenommen, Aeschi hätte bei Brotz auch so reagiert. Das wäre für mich der ultimative Knaller gewesen.

  • der nachdenkliche

    Man sollte die Wichtigkeit derartiger Veranstaltungen und all der "Stars" auch nicht übertreiben. Für mich sind diese Herrschaften keine Vorbilder. Und wenn sie sich öffentlich prügeln disqualifizieren sie sich selbst, in dem sie zeigen, dass sie nur über eine geringe Sozialkompetenz verfügen. Also lassen wir diese Herr- undf Damenschaften einander ihre goldenen Männchen überreichen und wenden uns wichtigerem zu.

  • Rudi Mentär

    Sturm im Wasserglas. Aufmerksamkeitssuche einer unwichtigen Filmindustrie.