Man glaubt es kaum, wo nicht überall der Antisemitismus lauert. Gerade in Berlin.

Im beschaulichen Nikolassee kommt es knüppeldick. Da treiben nicht nur Tristan und Isolde ihr Unwesen, sondern auch Lohengrin.

Antisemiten? Zumindest indirekt, schliesslich liessen sie sich vom Juden hassenden Komponisten Richard Wagner vertonen. Grund genug, nach ihnen benannte Strassen umzubenennen.

Das rät eine von der Justizverwaltung bestellte Studie: 290 Strassen stehen auf der Liste, einige sollen noch näher untersucht werden, 101 sind zum Abschuss frei.

Betroffen sind so berüchtigte Antisemiten wie Konrad Adenauer (berief Alt-Nazis ins Kabinett), Martin Luther (war seiner Zeit gemäss antijüdisch) und Nationaldichter Goethe («antisemitische Stereotype»).

Interessant ist, wer es nicht auf die Liste geschafft hat: Karl Marx zum Beispiel. Ist sein Pamphlet «Zur Judenfrage» etwa weniger rassistisch als Wagners Aufsatz über das «Judentum in der Musik»?

Dafür geraten die Brüder Grimm ins Fadenkreuz: Schon klar, haben sie doch mit ihren Volksmärchen «antijüdische Ressentiments» kolportiert und «frühantisemitische Tropen» bedient.

Dann sollte man aber wenigstens konsequent sein: Wenn Wagners Helden in Sippenhaft genommen werden, warum nicht Grimm'sche Märchen?

In Köpenick etwa. Dort ballen sich Rotkäppchen, Schneewittchen, Dornröschen und Frau Holle auf engstem Raum.

Oder stehen die Damen unter Gender-Schutz? Das Leben ist so kompliziert geworden. Gerade in Berlin.