Für ein radikales Umdenken in der Migrationspolitik hat sich eine Gruppe grüner Politiker ausgesprochen. «Verts Realos» bezeichnet sich als «Die Bürgerliche Mitte der Grünen» und stellen den rechten Flügel der sogenannten Realos in der Partei dar. Sie wollen zwar Asyl gewährleisten, aber auch die Einwanderung steuern, damit der Zusammenhalt der Gesellschaft gesichert bleibt. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer, der ehemalige prominente Bundestagsabgeordnete Rezzo Schlauch und Jens Marco Scharf, der Landrat des bayerischen Ortes Miltenberg, der unlängst mit kritischen Äusserungen zur Migrationspolitik seiner Partei an die Öffentlichkeit getreten war. Wir dokumentieren das Papier der «Verts Realos» in ungekürzter Form.
Deutschland ist wieder Ziel von sehr vielen Flüchtlingen. Gerade kommen vermehrt Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Es machen sich aber auch weiterhin viele Menschen auf den Weg nach Europa und nach Deutschland. Immer noch entstehen – vor allem im Mittelmeerraum – oft unerträgliche Situationen an den EU-Grenzen oder auf hoher See.
Wir erleben jetzt wieder, dass wir auf diese Migration im Grunde nicht vorbereitet sind. Wir hören von vielen überforderten Kommunen, die dem hohen Aufkommen an Migranten nicht standhalten. Es fehlen inzwischen vor allem Unterkünfte und weiterer Wohnraum. Wir haben zwar ansonsten materiell gute Versorgungsmöglichkeiten für ankommende Menschen, aber noch immer kein Konzept für eine gelungene Integration oder die konsequente Rückführung von Geflüchteten in ihre Heimat, sobald sich dies verantworten lässt oder sie selbst es wollen.
2021 kamen alleine eine Millionen Menschen aus der Ukraine. Über 200.000 Menschen beantragten Asyl. Es wird nicht reichen, einen weiteren (folgenlosen) Flüchtlingsgipfel einzuberufen. Es braucht die schnelle Umsetzung eines Sofortprogramms:
Probleme entstehen auf der deutschen Seite, da kein klarer Weg für das Leben hier, bzw. für die Integration in unsere Gesellschaft aufgezeigt wird. Und sie entstehen auf der anderen Seite, durch das Zusammenleben von unterschiedlich sozialisierten Menschen sowohl zwischen den verschiedenen Migrantengruppen, als auch zwischen ihnen und Teilen der deutschen Gesellschaft.
Die Fragen, die wir beantworten müssen lauten:
Wir möchten mit diesem Papier unseren Beitrag zur Diskussion in der Partei Bündnis 90/Die Grünen und der Gesellschaft leisten, damit die Migrationspolitik in Deutschland an die tatsächlichen Erfordernisse angepasst wird. Sie soll durch Menschlichkeit und Empathie geprägt sein, aber ohne Blauäugigkeit und das Verschweigen von Problemen. Eine offene, ehrliche und durch Tatsachen gestützte Diskussion kann dabei helfen, dass Migration nach Deutschland auch von der Breite unserer Gesellschaft unterstützt wird. Der Zusammenhalt möglichst vieler Bürgerinnen und Bürger, die die Verantwortung hinsichtlich der Migrationspolitik anerkennen und bejahen.
Auch wollen wir die Diskussion nicht nur auf Deutschland bezogen führen, sondern den europäischen Kontext und die verschiedenen Gegebenheiten in anderen europäischen Staaten berücksichtigen. Die deutsche politische Diskussion lässt häufig das Gespür für die Situation in anderen Ländern vermissen, insbesondere jener an den europäischen Aussengrenzen.
Deutschland muss, um einer europäischen Lösung willen, Kompromisse eingehen. Wir fordern, dass die Migration in die Europäische Union und nach Deutschland so organisiert wird, dass sie für die Menschen, die kommen, aber auch für die Menschen, die hier leben, akzeptabel und tragbar ist.
Grüne Migrationspolitik ist einer Gesellschaft verpflichtet, die offen ist für Veränderungen und sich dabei eindeutig an den Regeln der freiheitlich demokratischen Grundordnung orientiert.
Damit ist mehr gemeint, als der reine Gesetzestext, sondern die Hoheit des Rechtes über alle anderen Regelungen. Die Gleichberechtigung der Geschlechter, die Trennung von Staat und Religion, Freiheit und Gleichberechtigung unterschiedlicher individueller Lebensentwürfe sind für uns nicht verhandelbar. Auch der aktuell schleichenden Erosion dieser Werte unter dem Banner einer falschen Toleranz gilt es entschieden entgegen zu treten. Diese Sichtweise kann unter Umständen nicht für alle Migrantinnen und Migranten gleichermaßen vorausgesetzt werden, da sie in anderen Traditionen und Kulturkreisen eine andere Sozialisation erfahren haben. Es ist unseres Erachtens jedoch notwendig, dass die grundlegenden Werte eines Landes von allen in ihm lebenden Menschen geteilt werden. Neu ins Land kommende Menschen sollen deshalb schnell über unsere grundlegenden Werte, aufgeklärt werden. Diese Grundlagen sind von Staat, Politik und Gesellschaft zu vermitteln, einzufordern und wo nötig auch durchzusetzen.
Weiter ist es unsere Pflicht, vor Verfolgung fliehenden Menschen Asyl zu bieten, insbesondere als Konsequenz aus den Zeiten des NS-Staates. Der Artikel 16a im Grundgesetz ist ein Auftrag für alle nachfolgende Generationen in Deutschland.
Die UN-Flüchtlingskonvention, internationales wie nationales Recht, gebietet darüber hinaus die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen. Geflüchtete sollen, solange in ihrem Land Krieg herrscht, in den Nachbarländern, aber auch weltweit Aufnahme und Schutz finden. Als wirtschaftsstarke Nation können wir jenseits der Aufnahme von Flüchtlingen bei uns, durch die Unterstützung anderer Aufnahme-Staaten, unseren Beitrag in anderen Weltregionen leisten.
Es ist ein Unterschied zu machen zwischen Asylbewerbern, Kriegs- und Katastrophenflüchtlingen und Menschen, die ein vor allem wirtschaftlich besseres Leben suchen. Bei allen diesen Gründen ist verständlich, warum sich die Menschen auf den Weg in ein anderes Land machen, aber klar ist für uns eben auch: wir brauchen unterschiedliche Wege und Instrumente, um sowohl den Migrantinnen und Migranten, als auch unserer Verantwortung für unser Land und Europa gerecht zu werden. Wir glauben darüber hinaus, dass insbesondere die Menschen, die auf Dauer bei uns bleiben, die Pflicht haben, ihre Fähigkeiten bestmöglich in unser Land einzubringen und seine Werte zu wahren. Was die Aufnahme und Integration der Menschen angeht, erkennen wir die Begrenztheit unserer Möglichkeiten an, gemäss dem Satz von Alt-Bundespräsident Joachim Gauck: «Unser Herz ist weit, aber unsere Möglichkeiten sind endlich!» Hieraus resultiert die Notwendigkeit einer steuernden Migrationspolitik, auch dann, wenn dies harte Entscheidungen mit sich bringt.
Wir sehen einerseits die gesellschaftlichen und ökonomischen Vorteile von Migration, aber wir wissen auch um die Herausforderungen für die Aufnahme vieler Menschen in Europa. Wir sind davon überzeugt, dass es auch den Migrantinnen und Migranten am Ende besser geht, wenn wir eine Migrationspolitik betreiben, die die notwendigen Härten und die menschenunwürdigen Bedingungen nicht verschleiert, sondern im Gegenteil, klare Regeln benennt, weltweit transparent macht und sowohl vor den Grenzen Europas als auch in den EU-Ländern durchsetzt.
Deutschland ist seit Jahrzehnten faktisch ein Einwanderungsland. Es mangelt jedoch an offenen Diskussionen mit der Bevölkerung darüber und an transparenten und klaren Regelungen für Einwanderung. Wir öffnen uns auf der Basis unseres Grundgesetzes rechtsverbindlich für Asylsuchende und Migrantinnen und Migranten aus Kriegsgebieten und leisten humanitäre Hilfe und Unterstützung in Deutschland. Darüber hinaus ist offensichtlich, dass es für den Fortbestand unserer hohen Wirtschaftsleistung eine gezielte Einwanderung von qualifizierten und zu qualifizierenden Menschen braucht. Die Einwanderungspolitik ist dabei aber nur ein Baustein von mehreren, um die Zukunft der deutschen Gesellschaft und Wirtschaft und damit auch Wohlstand zu sichern. Wir müssen beispielsweise auch weiter an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf arbeiten.
Durch unseren Rechtsstaat, die umfassenden Hilfeleistungen und die höhere Aufnahmebereitschaft als in anderen EU-Staaten, ist Deutschland zudem ein bevorzugtes Ziel für viele Migrantinnen und Migranten. Aktuell versuchen wieder sehr viele Migranten nach Europa zu gelangen und wir gehen davon aus, dass die Zahlen auch in Zukunft nicht sinken werden.
Der Status Quo lässt sich folgendermassen zusammenfassen:
All dies hat zur Folge, dass die Akzeptanz für die Einwanderung sinkt. Dieser Zustand gefährdet auf Dauer den Zusammenhalt und den sozialen Frieden in Deutschland. Auch in einigen unserer Nachbarstaaten haben aufgrund inkonsequenter Einwanderungspolitiken rechtspopuläre oder gar rechtsextreme Parteien immensen Zulauf. Durch die bisherige verfehlte Migrationspolitik und die Weigerung, Fehlentwicklungen offener zu debattieren und konkrete Massnahmen abzuleiten, wird insgesamt der rechte Rand der Gesellschaft und der Parteien gestärkt. Dies kann man in vielen europäischen Ländern beobachten. Es steht auch für Deutschland ein Rechtsruck zu befürchten, sollten Bürger und Bürgerinnen weiterhin ihr Sicherheitsgefühl einbüssen und die Migrantinnen und Migranten nicht als Normalität in der Nachbarschaft wahrgenommen werden.
Deutschland kann alleine und ohne europäische Zusammenarbeit nicht alle Geflüchteten aufnehmen. Wir tragen mit die grösste Last in der EU, das sollte aber auch in einem annehmbaren Verhältnis vergleichbarer EU-Mitgliedsstaaten stattfinden.
Was für uns folgt – Massnahmen der Steuerung:
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Es ist erfreulich, dass sich einige Realos Gedanken zum Thema machen. Ob sie dies so umsetzen können ist fraglich. Die Grünen haben einen sehr großen Fehler. Eine richtige Diskussion mit anderen Bürgern findet nicht statt. Sie leben in ihrer Ideologischen Blase aus der es kein Entrinnen gibt. Fakt ist, dass Deutschland mit der Anzahl üpberfordert ist. Auch ist die Integration keine Einbahnstraße. Die Menschen sollten sich eigentlich uns anpassen. Tun sie aber nicht. Und wir müssen ausschaffen.
Eine Auflistung von Einsichten und Forderungen, die für den schlichten Hausverstand spätestens seit 2015 sonnenklar sind... Wenn dies eine Änderung der EU-Politik brächte, wäre es ein Wunder. Im Übrigen: dieser Zug ist abgefahren. Die meisten EU-Länder haben eine Quote von nicht-Integrierbaren, meist jungen, aggressiven Männern, welche diese Gesellschaften in schwerste soziale, finanzielle, bildungspolitische Konflikte stürzen wird. - All das gilt uneingeschränkt auch für die CH.
Die Regeln sind doch völlig klar. Eine Frau Claudia Roth hat die auf einer Demo, mit dem Slogan "Deutschland verrecke" doch ganz klar und unmißverständlich formuliert. Schon der Gründervater der Grünen ein Herr Fischer sah alles Übel der Welt von Deutschland ausgehen.