Lima

Das Gesetzesdekret N° 023-2021-SA vom 10. Mai trägt die Unterschrift von Staatspräsidentin Dina Boluarte persönlich. Die Botschaft ist klar: Transsexualität etwelcher Art ist medizinisch als «Geistesstörung» (trastorno mental) mit Krankheitswert einzustufen.

In den internationalen Medien löste das Dekret einen Sturm des Entsetzens aus. Das peruanische Gesundheitsministerium wiegelte ab: Es gehe lediglich darum, dass die Krankenkassen die Kosten für einschlägige Hormonbehandlungen und Psychotherapien übernehmen.

Tatsächlich lehnt sich die peruanische Regierung an eine Definition der WHO an, die erst vor zwei Jahren auf Druck von Gender-Aktivisten aufgehoben wurde. Entgegen jeglicher Logik.

Krankenkassen sind für Kranke da. Und wenn Normabweichungen bei der Geschlechts-Identität keinen Krankheitswert haben – warum sollten die Kassen dann für die Therapien aufkommen?

Die nationalen Medien berichteten höchstens am Rande über die Aufregung im Ausland, die in Peru bestenfalls mit Achselzucken zur Kenntnis genommen wurde. Gender steht hier nicht auf der Agenda. Man hat dringendere Probleme.

Anders als in der südamerikanischen Nachbarschaft sind gleichgeschlechtliche Ehen in Peru nicht zulässig. Und das wird wohl noch lange so bleiben. 80 Prozent der Bevölkerung sind gemäss Umfragen dagegen. Doch mit Homophobie hat das nichts zu tun.

Namentlich die indianisch geprägte Bevölkerung, also die grosse Mehrheit, ist in familiären Belangen sehr konservativ. Vor allem auf dem Land siezen die meisten Kinder ihre Eltern (und erst recht ihre Taufpaten). Der traditionelle Clan hat eine zentrale, ja existentielle Bedeutung in dieser Gesellschaft. Wer keine Familie hat, ist verloren.

Zugleich hat die peruanische Gesellschaft eine ausgesprochen tolerante Seite. Transsexuelle standen hier schon offen zu ihrer Orientierung, als diese anderswo noch Tabu war. Sie haben ihren gesicherten Platz in den Clans, wo ohnehin die Mütter das Sagen haben. In den Indio-Gemeinden herrschen zum Teil matriarchalische Strukturen. Die Grenzen sind fliessend. Seit Menschengedenken zogen die «Cholitas» mit auf die Schlachtfelder, nicht nur als Soldatinnen, sondern als Kommandeurinnen.

Die sexuelle Orientierung gilt schlicht als Privatsache. Und wer mit seiner Veranlagung nicht selber zu Rande kommt, ist entweder krank – oder er soll die Kosten für seine Marotten gefälligst selber tragen.