Soll man jetzt von heteronormativ und Cisgender und all dem Zeugs sprechen, nur weil die deutsche Nationalmannschaft bei Auswärtsspielen und zur Heim-EM pinkfarbene Trikots trägt? Nur weil geschätzt ein paar Fankurven voll reaktionärer Fussballfans auf ewig dem Schwarz-Weiss verfallen sind? Die «Frauentrikot» schimpfen, es als «Wogge» bezeichnen, Ken von Barbie ins Spiel bringen und am Stammtisch sich fragen, ob der Anstoss jetzt Anstösschen heisse?

Deutschland, ausgerechnet, führt oder führte zumindest eine Debatte über ein buntes Fussballtrikot. Jenes Land, in dem mehr als die Hälfte seiner Menschen zu den am schlechtesten angezogenen Europas zählen.

Man kann es in jeder Fussgängerzone wahrnehmen, in jeder Pizzeria oder in jeder Eisdiele: Deutschland sieht schlecht aus. Schwarze Sandalen mit weissen Socken, gelbe, ausgebeulte Hosen mit grünen, ausgeleierten T-Shirts und so weiter. Das Land steckt, wie immer schon, mitten in einer Stil- und Geschmackskrise, so gross wie tausend Fussballfelder. Von daher ist das pink Trikot eindeutig eine Verbesserung der kläglichen Gesamtsituation. Ein kleiner Lichtblick. Am neuen deutschen Trikotwesen könnte das Land genesen.

Vielleicht ist das Trikot die einzige Zeitenwende, die das Land hinbekommt. Und markiert das Ende des mies angezogenen Schlurfens durch die Welt. Und auch die Erkenntnis, dass der Gustav-Stresemann-Stil definitiv etwas von gestern ist.

Man stelle sich vor, die Mannschaft hätte die Pinkpremiere gegen Holland verloren. Das Trikot wäre wohl da und dort öffentlich verbrannt worden, mindestens, Bilder wie einst aus Teheran wären es gewesen.

Dann gewinnen sie, und das Trikot ist nicht mehr schwulett, sondern geil, und Pink ein Signal der Stärke und der Freude, weshalb die Farbe ja in der Lage sein soll, Glückshormone völlig losgelöst im Major-Tom-Stil auszuschütten. Dopamin-Dressing nennt man das. Und Opportunismus nennt man die vorherrschende Geisteshaltung des Deutschen.

Deutschlands Nationalelf ist dann einmal eine Ansammlung von Wohlstandsverkrüppelten Bubis ohne Stolz und Patriotismus und dann wieder ganz schnell «der geilste Club der Welt», wie im Sommermärchen immer gebrüllt wurde. Da zeigt sich ein Abbild der vorherrschenden deutschen Identitätsmuster.

Im Übrigen korrespondieren die ineinanderfliessenden Farbtöne von Lila bis Pink hervorragend zu den mannigfaltigen Tätowierungen und den teils ausgefallenen Haarschnitten der Spieler, wie ich finde.

Ich halte es mit Toni Kroos, der den bis anhin klügsten Satz dazu ausgesprochen hat: «Die Trikots sind natürlich immer nur so gut, wie wir spielen.»

Die 3 Top-Kommentare zu "Schwarz, Rot, Gold und Shocking Pink: Deutschland steckt mitten in einer Stil- und Geschmackskrise. Von daher ist das pink Trikot eindeutig eine Verbesserung der kläglichen Gesamtsituation. Ein kleiner Lichtblick"
  • Socrates9Zico10

    Seit der Demontage unseres Capitano Ballack 2010 durch Löw ist „Die Mannschaft“ schon lange nicht mehr meine Mannschaft! Die Aktionen von Özil, Can und dem neuen Kapitän „Der Mannschaft“ Gündogan mit „Unserem Präsidenten Erdogan“ und jetzt der zweideutige provokative Tauhid-IS-Finger von Rüdiger sind für mich nur noch das I-Tüpfelchen, dass ich in den nächsten Jahren nicht mehr für Deutschland halten werde! Zur EM gehören meine ganzen Sympathien den patriotischen Ungarn!

  • 😢◕‿◕😢

    Das passt zu den woken Deutschen wie die Faust aufs Auge! Ironie? Leider nein!

  • fred2

    Wann haben sie zuletzt deutsche in schwarzen Sandalen mit weißen Socken gesehen?