Die Nachbarn sind sich so fremd – und doch so ähnlich. Es gibt kaum einen Schweizer Fussballfan, der nicht auch einen deutschen Lieblingsklub hat – und keine ausländische Liga liegt uns näher als die Bundesliga. Nicht nur, weil derzeit eine ganze Mannschaft aus der Schweiz (elf Spieler) in der deutschen Topklasse engagiert ist.

Gegen keine andere Nation hat die Schweiz geschichtsträchtigere Spiele ausgetragen. Immer wieder bot sie Deutschland auch Hand in schwierigen Zeiten. 1908 spielte Deutschland seine Länderspielpremiere in Basel – weil der FC Basel innerhalb von zwei Wochen auf dem altehrwürdigen Landhof eine grosse Holztribüne errichtet hatte. Die Schweiz gewann bei Hagel und Sturm 5:3.

Noch bedeutsamer war der Ländervergleich 1920 auf dem Zürcher Utogrund. Es war das erste Spiel der Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg. Die Schweiz siegte 4:1. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg brachen die Schweizer das Eis – 1950 in Stuttgart. Es sollen sich über 100.000 Zuschauer ins Stadion gedrängt haben. Deutschland siegte 1:0 – und eine holländische Zeitung schrieb, bezugnehmend auf die Schrecken des Weltkriegs: «Nein, Schweizer, das war falsch von euch, das war geschmacklos.»

Bereits am Vorabend des Kriegs – an der WM 1938 in Paris – war es zu einem geschichtsträchtigen Vergleich gekommen. Am 9. Juni jenes Jahres standen sich in der französischen Hauptstadt die Schweiz und Grossdeutschland (mit den soeben integrierten österreichischen Fussballern der «Wunder-Elf») gegenüber. Die Schweiz schien chancenlos, der Nachbar in jeder Beziehung übermächtig.

Und Deutschland führte früh 2:0. Doch dann wendete sich das Schicksal. Eugène Walascheck verkürzte für die Schweiz; der 19-jährige GC-Stürmer Fredy Bickel glich aus. Und Trello Abegglen sorgte mit zwei Toren in der 75. und der 78. Minute für die Sensation: 4:2. Mit der Schweiz jubelte ganz Frankreich – und ein grosser Teil der Welt. Zu Hause sass das ganze Land gebannt vor den Radioapparaten und horchte den Schilderungen von Reporterlegende Hans Sutter.

Die Zeitung Sport titelte in den grösstmöglichen Buchstaben «Unser schönster Sieg». Die Neue Zürcher Zeitung platzierte erstmals seit 1780 einen Sportbericht auf der Titelseite. Bundesrat Philipp Etter überbrachte Wilhelm Tells Erben Gruss und Dank vom Volk. Jeder neue Nationalheld erhielt vom Bund eine Prämie – bar und steuerfrei: 175 Franken.

Sollten die Schweizer in Frankfurt ebenfalls gewinnen, dürfte es für sie finanziell einträglicher sein. Und dennoch ist die heutige Partie «nur» ein normales Fussballspiel. Glücklicherweise.

Die 3 Top-Kommentare zu "Schweiz gegen Deutschland: Warum das letzte Gruppenspiel grösser ist als der EM-Final"
  • Socrates9Zico10

    Ich als Deutscher hoffe auf einen Sieg der Schweiz! Dieses ganze staatlich angeordnete „Wir-Gefühl“, das jetzt plötzlich angeordnete „Alles für Deutschland“ ist mir total zuwider und „geht mir total auf den Sender“! Deswegen: Hopp Schwiyz!“

  • lisa8050

    Hopp Schwiiz, schlagt die Gummihälse

  • Chrüütlibuur

    Albanien spielt mit zwei Teams an der EM.