Die Angst geht um im bürgerlichen Lager, die Angst davor, dass die Linke und die Gewerkschaften mit der Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente durchmarschieren. Bei der ersten SRG-Umfrage zu den Abstimmungen vom 3. März gaben mehr als 60 Prozent der Befragten an, dass sie für eine zusätzliche AHV-Rente stimmen. Das sind zwar 10 Prozent weniger als bei der Tamedia-Umfrage vor einer Woche. Aber es ist immer noch ein satter Vorsprung für die Befürworter.

Sollte dieses Volksbegehren der Linken an der Urne tatsächlich obsiegen, wäre dies wohl auch von historischer Bedeutung und in gewissem Sinne auch eine Trendwende.

Ging es in der Vergangenheit bei Initiativen um einen Ausbau des Sozialstaates, stimmten die Schweizerinnen und Schweizer fast immer und konsequent Nein, was im Ausland manchmal fast schon amüsiert und kopfschüttelnd zur Kenntnis genommen wurde.

So lancierten die Progressiven Organisationen Schweiz, kurz Poch genannt – das war eine linke Partei, der damals Politikerinnen wie Anita Fetz (BS) angehörten –, 1973 eine Initiative dazu, die Arbeitszeit auf vierzig Stunden pro Woche zu reduzieren. Die Vorlage wurde aber 1976 mit 78 Prozent Nein-Stimmen wuchtig abgelehnt. Ein ähnliches Begehren des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) für eine Arbeitszeitverkürzung erlitt 1999 an der Urne ebenfalls Schiffbruch. Hier lehnten fast 75 Prozent die Initiative ab.

Dann änderte man die Strategie. Statt weniger lang zu arbeiten, forderten Linke und Gewerkschaften nun mehr Freizeit. Aber auch das kam beim Stimmvolk nicht an. Sie sagten 2012 mit über 66 Prozent nein zu «sechs Wochen Ferien für alle». Zwei Jahre später scheiterte auch eine Vorlage für höhere Mindestlöhne mit über 76 Prozent Nein-Stimmen.

Jetzt kündigt sich beim Thema Sozialstaatausbau mit der 13. AHV-Rente eine Trendwende an.