Was nützt ein Regelwerk, an das sich keiner hält?, hat sich die EU gesagt und ist ausnahmsweise pragmatisch vorgegangen: Unter der Führung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sie ihren vor einem guten Vierteljahrhundert eingeführten Stabilitäts- und Wachstumspakt weichgespült.

Er schreibt den Euro-Mitgliedstaaten Obergrenzen für Schulden vor. Das Regelwerk war erfunden worden, damit die öffentlichen Finanzen solide bleiben und nicht ständig die sparsamen Länder für die ausgabenfreudigeren aufkommen müssen. Der Vertrag strafte Mitgliedstaaten, deren Defizitquote im öffentlichen Haushalt über 3 Prozent liegt, ab.

Die Defizitquote ergibt sich aus dem prozentualen Verhältnis des Defizits eines Staates zum Bruttoinlandsprodukt. Bei Übertreten der Obergrenze gab es Schulden-Strafverfahren. Dann musste ein Land Gegenmassnahmen einleiten und das Budget korrigieren, um das Defizit zu senken.

Darüber hinaus beinhaltet der Pakt auch eine Schuldenquote, nach der der Schuldenstand nicht höher als 60 Prozent des BIP sein darf. Zuletzt waren die Strafverfahren erst wegen der Corona-Krise und dann wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine ausgesetzt worden.

Schon das war eine von Realismus geprägte Entscheidung. Denn zum Beispiel liegt Frankreich mit 111 Prozent, Italien mit 137 und Griechenland sogar mit 162 Prozent deutlich über den Vorgaben. Auch selbsternannte Musterknaben wie Finnland (73 Prozent) und Deutschland (64 Prozent) reissen die Messlatte.

In Zukunft soll jetzt die individuelle Lage der Schuldenländer berücksichtigt werden. Wen die Zinsen quälen, was natürlich bei hochverschuldeten Ländern stets der Fall ist, soll für einige Zeit von Strafen verschont bleiben. Wer glaubhafte Reform- und Investitionspläne vorlegt, soll ebenfalls sanft behandelt werden. Dem Stabilitäts- und Wachstumspakt sind damit die Zähne gezogen, weil jeder eine gute Ausrede erfinden wird.

Schlimm? Nicht schlimmer als bisher.

Denn es hat sich stets nur eine Minderheit an den Pakt gehalten. Die anderen haben fröhlich auf die Sahne gehauen und beispielsweise vor zwölf Jahren die Schuldenkrise der EU inklusive Griechenland-Rettung verursacht.

Solide öffentliche Finanzen? In den meisten EU-Staaten hat es sie nie gegeben.

Die 3 Top-Kommentare zu "Verschuldungs-Union: Wie EU-Chefin von der Leyen den EU-Stabilitätspakt weichspült"
  • aliasmailster

    Im Selbstbedienungsladen "EU" läuft alles planmäßig, die Länder zahlen immense Summen für ihre Entmündigung, Entrechtung und Verschuldung und sind offenbar stolz darauf. Wenn das kein gutes Geschäftsmodell ist....

  • jacques landis

    Mindestens die Deutschen sind der Meinung, dass sie nicht verschuldet sind - im Gegenteil, ihre "Sondervermögen" nehmen fast täglich zu.

  • franek

    aber immer grossspurig von Nachhaltigkeit labern…🤮