Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans hinterher.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zum Beispiel ist mit seinen 54 Jahren nun doch zu dem Schluss gekommen, dass Verteidigung vielleicht gar keine so schlechte Sache ist. Den Kieler Nachrichten sagte er: «Die sicherheitspolitische Lage ist heute eine andere als in den 80er Jahren. Unter den heutigen Bedingungen würde ich den Wehrdienst nicht mehr verweigern.»

Eine Killer-Nachricht aus den Kieler Nachrichten, sozusagen.

Keine vierzig Jahre später, und der Philosoph und Kinderbuchautor versteht, was viele andere schon damals begriffen haben. Der Ukraine-Krieg habe ihm da gewissermassen die Augen geöffnet, sagt Habeck heute.

Das ist fein beobachtet: Ganz offensichtlich war der Kalte Krieg mit seinen hochgerüsteten Lagern, der Bedrohung durch ein diktatorisches Sowjetsystem und mit der tödlichen innerdeutschen Mauer keine hinreichend eindringliche Erfahrung für den jugendlichen Heisssporn Habeck, um schon damals zu dem Schluss zu kommen, dass es von Vorteil sein könnte, die eigene Freiheit zu verteidigen.

Es ist immer ein wenig frustrierend für jene, die das offensichtlich zur Zeit erkannten, wenn intellektuelle Nachzügler mit wohlfeiler Späteinsicht Schlagzeilen machen und nicht einmal Gefahr laufen, nachgemustert und mit Marschgepäck über die Sturmbahn geschickt zu werden. Nicht selten hat man sich ehedem von hochnäsigen Moral-Pächtern mit links-grünem Flausen-Abo noch beschimpfen lassen müssen, weil die Tonangeber sich auf der richtigen Seite der Geschichte wähnten und heute wiederum öffentlichkeitswirksam und dummstolz auf die andere huschen.

Immerhin kann man nicht sagen, dass es keine soziale Durchlässigkeit in Deutschland gebe. Selbst beim Denken Benachteiligte aus ideologischen Brennpunkt-Gemeinden haben hierzulande die Chance, einen Nachzügler-Lehrgang «Lebenserfahrung im Amt» (vgl. auch Bundesaussenminister a. D. Joschka Fischer) zu absolvieren und dafür gewissermassen Minister-Bafög (rund 25.000 Euro/Monat) zu bekommen.

Lidl lohnt sich. Traumtanzen manchmal auch.

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Ralf Schuler ist Politikchef des Nachrichtenportals NIUS und betreibt den Interview-Kanal «Schuler! Fragen, was ist». Sein neues Buch «Generation Gleichschritt. Wie das Mitlaufen zum Volkssport wurde» ist bei Fontis (Basel) erschienen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Was Habeck nicht lernt, lernt Habeck hinterher: Deutschlands grüner Wirtschaftsminister würde «unter den heutigen Bedingungen den Wehrdienst nicht mehr verweigern»"
  • Der Michel

    Tja, bei mir sieht's gerade andersrum aus: In den Achtzigerjahren Wehrdienst, aber heute würde ich bei einer Bundeswehr, die neben der Landesverteidigung (zu der sie nicht ansatzweise in der Lage ist) alles mögliche in ihrem Soldbuch stehen hat und bei einer Nato, die von einem Verteidigungsbündnis zu einem aggressiven und expansiven Machtapparat geworden ist verweigern. Dass Habeck zum konträren Schluss kommt wundert mich nicht - das ist bei *allem* so, was ich von diesem Herrn kenne.

  • flyinghorse

    Der braucht auch noch 40 Jahre um zu verstehen was eine Insolvenz ist.

  • schweizbeneider

    er ist halt nicht von der schnellen Truppe :-) diese 360 Grad Wendungen :-) aus dem Stand...:-)