Auf Chinas höchster Führungsebene wird seit längerem über die Corona-Politik gestritten. Der Zoff dringt jetzt an die Öffentlichkeit. Die stellvertretende Premierministerin Sun Chunlan, eine enge Vertraute des Staatspräsidenten Xi Jinping, forderte Anfang April für die Metropople Schanghai, die kurz davor mit dem totalen Lockdown begonnen hatte, die Massnahmen noch zu verschärfen. Wenig später plauderte der Premier Li Keqiang maskenfrei in einer südchinesischen Stadt mit von der Pandemie gebeutelten Lastwagenfahrern. Li bereiten die Folgen der rigiden Null-Covid-Strategie für die Wirtschaft und das Leben der Bürger sichtlich Kopfzerbrechen.

Das kommt nicht von ungefähr. Li werden seit Jahren Ambitionen auf das höchste Amt nachgesagt. Aus seiner Kritik an der Corona-Politik macht er denn auch kein Geheimnis. So malte Li am 25. Mai auf einer Konferenz ein düsteres Bild der chinesischen Wirtschaft. Der Stillstand in Schanghai führe zum Einbrechen der Steuereinnahmen, auch in den umliegenden Provinzen, und das wirke sich massiv auf die Finanzsituation der Zentralregierung aus. Politische Beobachter werten diese Worte als einen offenen Affront gegen Xi, dessen Pandemie-Kurs das Land in eine tiefe Wirtschaftskrise gestürzt hat.

Doch die Revanche folgte prompt. Noch am Spätabend des 25. Mai veröffentlichte die «Wirtschaftstageszeitung» einen Artikel mit der Überschrift «Die Wirtschaftslage umfassend und dialektisch sehen», der Lis Rede widersprach. Während der Artikel am folgenden Tag in der «Volkszeitung» in voller Länge gedruckt wurde, verschwand Lis Redetext aus dem Netz.

Nicht nur die Medien hat Xi fest im Griff. Auch auf Provinzebene hat er alte Kader durch seine Vertrauten ersetzt. Im Laufe der Anti-Korruptions-Kampagne wurde bisher gegen vier Millionen Parteifunktionäre ermittelt, darunter rund 400 auf Ministerebene, und viele landeten hinter Gittern. Etliche potenzielle Widersacher von Xi wurden somit ausgeschaltet.

Fazit: Dass Xis dritte Amtszeit, die auf dem Parteitag im Herbst beschlossen werden sollte, durch die falsche Corona-Politik gefährdet sein könnte, bleibt Wunschdenken vieler Beobachter, Unternehmer und Bürger.

* Li Ju ist ein Pseudonym. Die chinesische Journalistin ist der Redaktion bekannt. Sie wohnt in Peking und möchte ihren Namen aus Sicherheitsgründen nicht veröffentlichen.

Die 3 Top-Kommentare zu "Xi Jinping im Strudel der Kritik: Seine harten Covid-Massnahmen sorgen für Unmut bei den Gegnern. Wird sich der chinesische Präsident halten können?"
  • Wernher

    Dass Xi noch immer eine Null-Covid-Strategie verfolgt, kann eigentlich nur zwei Ursachen haben: entweder er glaubt quasi paranoid an die Gefährlichkeit von Covid oder er will die westliche Welt weiter schwäschen.

  • Ranchli

    Ich denke eher die westliche Welt schwächen. Pläne könnten dahinter stecken. Wir müssen sehr aufpassen, dass die technische Übetwachung, so wie es heutemöglich ist, keine solchen Formen annimmt, wie in China. Es ist heute sehr NAIV zu glauben, dass diese technischen Möglichkeiten nur zum "guten Zweck" gebraucht werden. Es wird uns natürlich als GUT propagiert, aber wir dürfen nicht naiv sein! Die heutige Technik ist faszinierend, aber exrtem gefährlich. Wenige Menschen könnten viele versklaven.

  • oazu

    Sags schon lange, bei Covid Reaktion geht's nur am Rande um Covid, Covid ist vielmehr politisches Mittel um ganz anderes zu erreichen, sowohl in CN als auch in Great-Reset Landen des Westens.