Heute vergleichen wir die zwei führenden Tageszeitungen des Landes miteinander, die Neue Zürcher Zeitung und den Tages-Anzeiger.

Es ist der Vergleich einer Erfolgsgeschichte und einer Misserfolgsgeschichte. Die Erfolgsgeschichte schreibt die NZZ aus Zürich, die Misserfolgsgeschichte schreibt der Tages-Anzeiger aus Zürich.

Beginnen wir mit den Zahlen, die man aus den neusten Jahresberichten der beiden Verlagshäuser destillieren kann. Die NZZ hat im vergangenen Jahr einen Reingewinn von rund acht Millionen Franken gemacht. So profitabel war die NZZ seit zwanzig Jahren nicht mehr. Beim Tages-Anzeiger ist es ein Verlust von rund fünf Millionen, so unprofitabel war man seit Urzeiten nicht mehr.

Vor zehn Jahren war es umgekehrt. Damals lieferte der Tages-Anzeiger einen operativen Gewinn in sehr zweistelliger Millionenhöhe ab. Die NZZ hingegen war nahe an den roten Zahlen.

Wie also kam es, dass die NZZ ihren alten Rivalen von der anderen Seite der Limmat derart abhängen konnte?

Es gibt, wie meist in den Medien, eine einfache Erklärung. Die Erklärung heisst: Profil. Die NZZ hat zuletzt stark an Profil gewonnen, der Tages-Anzeiger schaffte das nicht.

Es lohnt sich darum ein kurzer Blick zurück. Gegen Mitte des letzten Jahrzehnts war der Titel NZZ in der Krise, nicht nur kommerziell, sondern auch inhaltlich. Chefredaktor Markus Spillmann hatte aus dem Blatt der bürgerlichen Standfestigkeit eine Windfahne der Beliebigkeit gemacht, und die Redaktion neigte zunehmend zu linksliberalen Positionen. Der neue VR-Präsident Etienne Jornod, obschon ein Medien-Novize, ahnte instinktiv, dass dies ein Weg ins Verderben war. Als neuen Chefredaktor wollte er erst den konservativen Markus Somm von der Basler Zeitung holen, setzte nach internen Protesten aber dann Eric Gujer ein, den politisch ebenso gedrechselten Leiter des Auslandressorts.

Werdet geistige Klimakleber, haut auf alle Bürgerlichen ein, cancelt missliebige Meinungen!

Gujer positionierte sein Blatt umgehend wieder als bürgerlich-konservative Meinungsleiste, die bei Fragen wie Migration, Klimapolitik, Wokeness und Corona keine Hemmungen hatte, kräftig gegen den wohlfeilen Zeitgeist anzuschreiben.

Der Erfolg war durchschlagend, weit über die Schweiz hinaus. Die NZZ ist in Deutschland inzwischen auf der Marke von 40 000 Abonnenten, und die Redaktion in Berlin ist mittlerweile sechzehn Köpfe stark. In der Schweiz kommen 120 000 Abonnemente hinzu.

Mit solchen Erfolgszahlen hat die NZZ den Tages-Anzeiger deutlich hinter sich gelassen. Denn hier lief der Prozess in eine ungute Richtung. Der Tages-Anzeiger hat in den letzten zehn Jahren nicht an Profil gewonnen, sondern hat sich verwässert. Tendenziell steht man auf der rot-grünen Seite, aber dann doch nicht so richtig, oder doch, oder wie oder was. Wie kann man heute das Profil des Tages-Anzeigers beschreiben? Schwierig. Wischiwaschi vielleicht?

Als Folge der Profilschwäche bleiben die Abo-Zahlen hinter jenen der NZZ zurück. Vor allem bei digitalen Abos erreicht man nicht einmal einen Drittel der Konkurrenz.

Der Tages-Anzeiger verpasste mit seinem Wackelkurs die Chance, welche etwa eine New York Times gezielt nutzte. Dort erkannte man nach der Wahl von Donald Trump, dass es im Land eine konsequent linke Zeitung braucht. Die politisch radikalisierte NYT wurde zum geliebten Stammblatt der US-Linken und hat inzwischen über neun Millionen Abonnenten, fünfmal so viele wie noch vor zehn Jahren. Auch finanziell hat sich das gewaltig gelohnt.

Beim Tages-Anzeiger jedoch gab es keinen VR-Präsidenten, der das ausgedünnte Profil seines Flaggschiffs wieder auf Kurs bringen wollte. Präsident Pietro Supino liess die Dinge laufen, obwohl sie offenkundig nicht mehr liefen.

Wenn mich die Tages-Anzeiger-Gruppe als Strategieberater anfragen sollte, ich würde ihr das Rezept aus New York empfehlen: Werdet klar links-grün, werdet politisch korrekt, werdet woke, werdet geistige Klimakleber, öffnet die Grenzen für alle, macht Transgender zum Thema, haut auf alle Bürgerlichen ein, werdet feministisch, cancelt missliebige Meinungen. In unseren rot-grünen Städten wird dann eure Auflage mit Sicherheit explodieren.

Das tönt jetzt ein bisschen überdreht, aber ich mache keine Witze.

Entscheidend für den Erfolg einer Zeitung, inhaltlich wie dann geschäftlich, ist heute ein kristallklares Profil. Die NZZ hat dieses Profil, der Tages-Anzeiger hat es nicht.

Die 3 Top-Kommentare zu "Zwei Rivalen, zwei Profile: Wie konnte es passieren, dass die NZZ ihren Rivalen Tages-Anzeiger derart abgehängt hat?"
  • hansj.

    Der Tages-Anzeiger macht Verlust und es wäre kein Verlust, wenn es den Tages-Anzeiger nicht mehr geben würde.

  • Nathan

    Wichtiger noch als das Profil ist das Vertrauen der Leserschaft. Stimmt das, was in der Zeitung steht sehr selten mit der Realität überein, ist die Zeitung nur noch Abfall. Machen wir den Test. Also gemäss TA sieht die Welt folgendermassen aus: ich bin als Ungeimpfter gestorben, in Afrika und China gibt es keine Menschen mehr, weil sie nicht bei Pfizer gekauft haben. Russland ist seit einem Jahr pleite und durch UA erobert. Die Menschen in der EU sind viel reicher als diejenigen in der Schweiz.

  • Susten

    Der Tagi hat sein Korrespondentennetz ausgedünnt und übernimmt viele Beiträge der Süddeutschen. Nicht zu seinem Vorteil.