Obwohl ich mich zu Beginn als Journalist der Nachdenkseiten vorgestellt hatte, reagierte Wirtschaftsminister Robert Habeck diese Woche auf der Bundespressekonferenz mit der rhetorischen Gegenfrage, ob ich von Russia Today käme, wo ich einst tatsächlich – und übrigens in aller Freiheit – gearbeitet habe. Ganz dem Kalter-Krieg-Motto folgend, war Habecks Haltung: Hinterfragt ein Journalist meine Vorgehen, dann kann es nur ein Agent Moskaus sein. So sieht das derzeitige Argumentationslevel bei Ministern der Ampel aus. Willkommen im Jahr 2024.

 

Massive Verunsicherung

Auf meine Frage nach dem von ihm und seinen Staatssekretären angeforderten und protokollarisch belegten Einsatz des deutschen Inlandsgeheimdienstes gegen Mitarbeiter mit unliebsamen Fachmeinungen reagierte er, indem er zunächst erklärte, die Frage sei «voller falscher Unterstellungen, die ich hiermit zurückweise». Dann behauptete er, dass «Mitarbeiter immer eine Sicherheitsprüfung durchlaufen». Dies sei ein normaler Standard, so arbeite das Ministerium «seit vielen Jahren». Doch diese Darstellung des Ministers und Vizekanzlers ist in dieser Form nachweislich falsch.

Am 22. September 2022 veröffentlichte das Handelsblatt interne Protokolle aus dem Wirtschaftsministerium. Aus denen geht hervor, dass Habeck zusammen mit seinem damaligen Staatssekretär, dem später wegen Klientelismus zurückgetretenen Patrick Graichen, den Verfassungsschutz unter anderem auf zwei «hochkompetente und loyale» Ministerialbeamte angesetzt hatte, obwohl es überhaupt keinen konkreten Spionageverdacht gegen die beiden Ministeriumsmitarbeiter gegeben habe. Ihr einziges Vergehen? Sie hatten eine Fachposition zur zukünftigen deutschen Energieversorgung eingenommen, «die meilenweit von der politischen Linie des Ministers» abgewichen sei.

Wenn überhaupt jemand die «liberale Demokratie» diskreditiert, dann ist es Habeck höchstpersönlich.

Der Einsatz des Verfassungsschutzes sorgte für massive Verunsicherung in der mittleren und oberen Leitungsebene des Hauses. So wird im Protokoll des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz ein Ministerialbeamter mit folgender Aussage zitiert: «Wenn ich meine Fachmeinung kundtue, dann besteht die Möglichkeit, dass ich in den Verdacht gerate, ‹Russenversteher› zu werden.»

Im Gegensatz zu Habecks Behauptung handelte es sich folglich bei dem Vorgang nachweislich nicht um eine «Routinekontrolle». Dies geschah laut langgedienten Beamten erstmalig in der Geschichte des Ministeriums. Das heisst, der Minister hat auf der Bundespressekonferenz wider besseres Wissen die Darstellung des Handelsblatts – und auf nichts anderem beruhte meine Frage – als «Unterstellung» und den Vorgang selbst als angeblichen «Standard» bezeichnet. Für diese Form der wissentlichen Falschdarstellung verwendet man umgangssprachlich auch den Begriff Lüge.

 

«Weggesperrt oder ermordet»

Doch damit noch nicht genug. Im weiteren Verlauf drohte der Minister mir als kritischem Journalisten mindestens unterschwellig mit Konsequenzen. Damit verstiess er unmittelbar gegen die sogenannte Neutralitätspflicht, der er als Minister unterliegt. Dazu gibt es auch ein Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages mit dem Titel «Neutralitätspflicht von Regierungsmitgliedern und Parlamentarischen Staatssekretären».

Rufen wir uns Habecks Äusserungen auf meine Frage noch mal im Wortlaut in Erinnerung: «Es ist schon schwer zu ertragen, wenige Tage nachdem Nawalny ermordet wurde, dass Russlands Berichterstatter hier im Land die liberale Demokratie in Deutschland so diskreditieren. Jede Frage soll beantwortet werden, aber mit der Sympathie für ein Land, in dem Fragen noch nicht mal gestellt werden dürfen, sondern Menschen, die Fragen stellen, weggesperrt oder ermordet werden, ist eine moralische Grenze erreicht, die schwer zu ertragen ist.»

Der Vizekanzler Deutschlands instrumentalisiert hier den bisher ungeklärten Tod eines russischen Oppositionspolitikers in einem Straflager, um kritische Fragen an ihn zur Personalpolitik in seinem Ministerium zu delegitimieren. Wenn überhaupt jemand, wie von Habeck behauptet, die «liberale Demokratie» diskreditiert, dann ist er es höchstpersönlich. Wenn dem Minister der Schutz der liberalen Demokratie wirklich so viel bedeutet, dann sollte er die entsprechenden Konsequenzen ziehen.

 

Florian Warweg ist Redaktor von Nachdenkseiten.de.

Die 3 Top-Kommentare zu "«Moralisch schwer zu ertragen»"
  • Eliza Chr.

    Herr Warweg, Habeck zeigt doch mit solchen Drohungen und Antworten nur, wie unfähig und besonders unsicher er ist, dass er schon wieder das Falsche sagt, woraus man sieht, dass er null Ahnung i.S. Wirtschaft hat. Er weiss, dass Sie ihm haushoch überlegen sind. Minister hin oder her, ich denke, ich würde ihn mal fragen: 'Wie sprechen sie eigentlich mit mir?'😉 Ok, es würde erneut eine dümmliche Antwort folgen, denn er kann nicht anders.

  • d.w.

    Ein Märchenonkel eben, ein Kinderbucherzähler! Was kann man da erwarten?

  • Da wär noch was

    Ich hoffe, Herr Warweg, dass Sie diesen Artikel so breit wie möglich streuen, auch an die Minister. - Sie können natürlich noch gekennzeichnet einfügen, dass Nawalny nach Angaben des Chefs des Militärgeheimdiensts der Ukraine, nicht Russland, an einem Blutgerinsel gestorben ist.