Auf gut Schweizerdeutsch spricht man in so einem Fall von einer «Chnelle». Im Fall des «Amadeus» beim Bahnhof Schlieren handelt es sich trotz der äusseren Hülle eines schmucklosen Zweckbaus aber um ein Lokal mit Flair. Schliesslich wird «Wiener Küche» angekündigt, der unsterbliche österreichische Komponist Wolfgang Amadeus Mozart ist Namensgeber des Lokals. Der vordere Teil des Restaurants erinnert eher an den traditionellen, landesweit verbreiteten Stammtischstil, im hinteren Teil geht es zwar ebenfalls unprätentiös, jedoch etwas feiner zu. Hier liegen Tischdecken auf, der Raum strahlt eine angenehme, vorstädtische Gediegenheit aus.

 

Persönlich geführter Familienbetrieb

Der Vorteil dieser niederschwelligen Zweiteilung der Räume ist die Breitenwirkung des «Amadeus», das lokale Publikum kommt auf eine Stange vorbei, das mittlere Management nahegelegener Weltfirmen wie IBM oder Mercedes trifft sich gleichzeitig hier zu Business-Meetings.

Das «Amadeus» ist ein persönlich geführter Familienbetrieb, den der gebürtige Grazer Reinhold Lanz mit seiner Frau Francisca 1981 im Limmattal begründet hat. Seit dem Jahr 2000 bereits steht das «Amadeus» in Schlieren, und die kulinarische Basis war immer die österreichische – oder vielmehr: steirische – Küche.

Im Dezember 2018 verstarb Reinhold Lanz völlig unerwartet. Und nach einer Auszeit von rund vier Wochen entschieden sich Francisca Lanz und ihr Sohn Alexander, das Familienrestaurant gemeinsam weiterzuführen. Sie ist für Empfang und Einkauf zuständig, er pflegt das kulinarische Erbe seines Vaters weiter.

Dabei ist der 36-Jährige kein gelernter Koch, sondern hat die renommierten Hotelfachschulen in Zürich und Lausanne absolviert und Praktika in namhaften Hotels Rio de Janeiro und São Paulo gemacht.

«Die Messlatte, die mein Vater gelegt hat, war hoch. Für mich war er der perfekte Koch.»

«Als mein Vater krank wurde, bin ich zurückgekommen und habe während rund neun Monaten an seiner Seite so viel wie möglich über seine Küche gelernt», sagt Alexander Lanz. Er habe in dieser Zeit zwar einiges abschauen können, viel habe er aber auch dazulernen müssen.

Schweizweite Bekanntheit erlangte das «Amadeus» für sein Wiener Schnitzel, das Reinhold Lanz nach einer sehr eigenwilligen Rezeptur zubereitete, und das wiederholt zum «besten Schnitzel der Schweiz» erklärt wurde. Das Fleisch wurde nicht geklopft, sondern im gefrorenen Zustand mit der Aufschnittmaschine dünn geschnitten, und die Panade entstand aus getrockneten, gemahlenen Gipfeli.

Alexander Lanz hat dieses Rezept modernisiert, wie er sagt: «Ich habe modernere Methoden gewählt, die vielleicht besser in die heutige Zeit passen.» Dazu gehören eine höhere Fleischqualität und mehr Masse. Das «Amadeus»-Schnitzel wiegt jetzt 170 statt der früheren 160 Gramm. Verwendet wird Fleisch vom «Huftbäggli» des Kalbs. Dieses wird nicht mehr geschnitten, sondern mit einer Maschine gepresst, die für eine gleichmässig dünne Struktur sorgt, wobei die Gefahr gerissener Fasern gemindert wird, die beim traditionellen Plattieren besteht.

Statt Gipfeli wird nun eine ausbalancierte Mischung aus dunklem und hellem Brot für die Panade verwendet. «Mein Eindruck war, dass die Gipfeli-Panade immer etwas zu viel Feuchtigkeit absorbiert hat», erklärt Alexander Lanz diesen Schritt. Gewürzt wird ausserdem nicht mehr nur mit Salz, der junge Quereinsteiger hat stattdessen eine Mischung aus Salz, weissem Pfeffer und Knoblauchgranulat entwickelt, die dem Wiener Schnitzel eine prominentere Würze verleiht, «die perfekt zur Panade und zur Säure der Zitrone passt», wie er sagt.

Zum Schluss wird es im 170 bis 180 Grad heissen Erdnussöl schwimmend gebacken. «Hier geht es um Handarbeit», sagt Lanz. Es sei wichtig, das Schnitzel zuerst ohne Bewegung auf einer Seite zu backen, bis es gebräunt sei. «Dann wird es gewendet, und indem man die Pfanne ständig bewegt, läuft das heisse Öl kontinuierlich über die Oberseite und lässt die Panade schön soufflieren.»

 

«Die Messlatte war hoch»

Am Klassiker des Hauses grundlegende Änderungen vorzunehmen, habe Mut gebraucht, sagt Alexander Lanz: «Die Messlatte, die mein Vater gelegt hat, war hoch. Für mich war er der perfekte Koch.» Trotzdem bereite er auch die legendären Petersilienkartoffeln seines Vaters heute anders zu, statt nur mit Butter und Kräutern würze er sie auch mit hausgemachter Gemüsebouillon. «Die Reaktionen der Gäste sind gut, aber natürlich wurden die Änderungen wahrgenommen», so der «Amadeus»-Chef.

Alexander Lanz hat mittlerweile einen Koch eingestellt, der das kulinarische Erbe weiterführt, er selbst wird demnächst in São Paulo und Brasilia Gastro-Bars eröffnen. Nur, Wiener Schnitzel gibt es da nicht, dafür muss man schon nach Schlieren fahren.