Je jünger Männer sind, desto weniger fühlen sie sich komplett männlich. Das hat eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Yougov herausgefunden, die 2022 in elf westlichen Ländern durchgeführt wurde. In Zeiten, in denen Männern schon von jungen Jahren an gesagt wird, dass sie für das ganze Übel dieser Welt verantwortlich sind, Frauen unterdrücken, und traditionelle männliche Eigenschaften wie Konkurrenzgeist und Risikobereitschaft als schädlich gelten, überrascht das kaum. Ich verstehe jeden Mann, der Angst vor seiner eigenen männlichen Identität hat. Auch jeden, der sich nicht männlich fühlen möchte und den dringenden Wunsch verspürt, sich davon zu lösen. Wer will schon zum «Problem Männer» gehören, als das diese Bevölkerungshälfte in der medialen Öffentlichkeit so gerne dargestellt wird? Wir alle wollen gute Menschen sein, alles richtigmachen. Wäre ich ein junger Mann, würde ich meine feminine Seite zum Besten geben, und sei es nur, um nicht in den Verdacht der Patriarchatsmitgliedschaft zu geraten.
Für die Studie wurden Personen ab achtzehn Jahren gefragt, wie männlich oder weiblich sie sich fühlten. Die Skala ging von «1 – total männlich» bis «7 – total weiblich». Am wenigsten männlich fühlen sich Männer zwischen 18 und 25 Jahren – und im Ländervergleich Männer in Deutschland; nur etwa die Hälfte der Befragten identifiziert sich als ganz männlich. Frauen in Deutschland fühlen sich hinter den Däninnen am wenigsten weiblich. Männer und Frauen in Polen (Platz Nummer eins), Italien und Spanien stufen sich selbst am männlichsten oder weiblichsten Ende der Skala ein. In jedem dieser Länder tun dies mindestens zwei Drittel der Männer und sieben von zehn Frauen. Je älter Menschen werden, desto mehr identifizieren sie sich mit ihrer Männlichkeit oder Weiblichkeit. «Es besteht eine deutliche Generationskluft, bei der jüngere Männer und Frauen sich weniger als vollkommen männlich oder weiblich einstufen als ihre älteren Generationen [. . .]», schreibt Yougov.
Ich verstehe jeden Mann, der Angst vor seiner eigenen männlichen Identität hat.
Dass sich ältere Menschen wohler fühlen mit dem Konzept von traditioneller Männlichkeit oder Weiblichkeit, hat zum einen wohl damit zu tun, dass man sich besser kennt und zu sich selbst gefunden hat. Zum anderen ist man mit fortschreitendem Alter weniger beeinflussbar durch allerlei Dinge wie eine moderne Gesellschaft, die Gender- und Identitätsfragen zum wichtigsten Thema in der jüngeren Geschichte erhoben hat. Früher waren Jungs männlich, Mädchen weiblich – und es war okay. Junge Leute wurden nicht dauerbedrängt mit ihrem eigenen Geschlecht und der bohrenden Aufforderung, es zu überdenken mitsamt seiner Rolle im Genderuniversum, um diese ein für alle Mal aufzubrechen. Man hatte keine Zeit, ständig über sich selbst nachzudenken; man hatte amüsantere Dinge zu tun.
Ein weiterer Faktor für das Sich-weniger-männlich-Fühlen, gerade in Deutschland, ist vielleicht auch das feminisierte Bildungssystem mit über 75 Prozent Frauenanteil (in Grundschulen 90 Prozent), das Jungs und junge Männer mit einer ziemlichen Ladung geschlechtertechnischer Einseitigkeit konfrontiert. Es bringt ihnen bei, sanfter zu werden so wie die Mädchen, während es sie dazu animiert, ihr angeborenes jungenhaftes Verhalten – sich balgen, Bewegungsdrang, Grobmotorik –, also die männliche Energie, abzulegen – böse Zungen sprechen von «unterdrücken» –, denn beides gilt heute als soziale Inkompetenz.
Der Soziologieprofessor Walter Hollstein fasst all das so zusammen: «Für Jungen ist es in den vergangenen Jahren immer mühsamer geworden, einen sinnvollen Weg zum Mannsein zu finden.» Er spricht von widersprüchlichen Erwartungen an die Jungen heute, denen sie auf «höchst verwirrende Weise» ausgesetzt seien. Für Frauen dürfte der Prozess ins Erwachsenenleben weniger verwirrend verlaufen: Wir sind feminin geboren, feminin erzogen und sterben feminin. Jedenfalls die meisten von uns.
Und dann gibt es natürlich Menschen, die traditionelle Rollen einfach als einengend empfinden und nicht so oder so fühlen; man kann sich ja auch zugleich männlich und weiblich fühlen. Das ist völlig in Ordnung, jeder soll sich nach seiner Façon fühlen und das auch ausdrücken.
Jede Epoche hat ihre Eigenheiten, und sollte die Männlichkeit in Deutschland (oder in der Schweiz) irgendwann aussterben, haben wir immer noch die Polen, die werden uns dann retten.
Mich lässt der Artikel verwundert zurück, als Frau. Wie soll ich mich über die Befindlichkeiten von Männern äußern? Wenn es für Jungen immer schwerer wird sich zu definieren,sind für mich die Väter gefragt. Starke Väter,mit Autorität,die autoritäres Verhalten nicht nötig haben.
Männliche Tugenden,Mut, Risikobereitschaft,Freiheitsliebe, Verantwortungsbewusstsein, möchte ich von den männlichen Vätern vorgelebt sehen. Unabhängigkeit von dem was „man“ denkt, sagt, tut. So formen Väter starke Kinder
Zunächst: Ich liebe Ihre Kolumnen Frau Wernli, Ihre Sprache, die geistreiche Gedankenführung. Wie ich überhaupt die g'scheiten Frauen ganz besonders mag. Bekommt Männlichkeit, bzw. das, was Sie damit assoziieren, immer mehr Gegenwind? Ja, definitiv. Beispielsweise gegenüber der Verwaltung, Justiz und Polizei. Da werden Regungen der Kritik, von dezidiertem Eigenständigkeit und unzureichender Unterwerfungsbereitschaft klar sanktioniert. Mit als typisch weiblich geltendenAttitüden hat mans leichter
Sie müssen sich anmelden, um einen Kommentar abzugeben.
Noch kein Kommentar-Konto? Hier kostenlos registrieren.
Bitte beachten Sie die Netiquette-Regeln beim Schreiben von Kommentaren.
Den Prozess der Weltwoche-Kommentarprüfung machen wir in dieser Erklärung transparent.
Netiquette
Die Kommentare auf weltwoche.ch/weltwoche.de sollen den offenen Meinungsaustausch unter den Lesern ermöglichen. Es ist uns ein wichtiges Anliegen, dass in allen Kommentarspalten fair und sachlich debattiert wird.
Das Nutzen der Kommentarfunktion bedeutet ein Einverständnis mit unseren Richtlinien.
Scharfe, sachbezogene Kritik am Inhalt des Artikels, an Protagonisten des Zeitgeschehens oder an Beiträgen anderer Forumsteilnehmer ist erwünscht, solange sie höflich vorgetragen wird. Wählen Sie im Zweifelsfall den subtileren Ausdruck.
Unzulässig sind:
Antisemitismus / Rassismus
Aufrufe zur Gewalt / Billigung von Gewalt
Begriffe unter der Gürtellinie/Fäkalsprache
Beleidigung anderer Forumsteilnehmer / verächtliche Abänderungen von deren Namen
Vergleiche demokratischer Politiker/Institutionen/Personen mit dem Nationalsozialismus
Justiziable Unterstellungen/Unwahrheiten
Kommentare oder ganze Abschnitte nur in Grossbuchstaben
Kommentare, die nichts mit dem Thema des Artikels zu tun haben
Kommentarserien (zwei oder mehrere Kommentare hintereinander um die Zeichenbeschränkung zu umgehen)
Kommentare, die kommerzieller Natur sind
Kommentare mit vielen Sonderzeichen oder solche, die in Rechtschreibung und Interpunktion mangelhaft sind
Kommentare, die mehr als einen externen Link enthalten
Kommentare, die einen Link zu dubiosen Seiten enthalten
Kommentare, die nur einen Link enthalten ohne beschreibenden Kontext dazu
Kommentare, die nicht auf Deutsch sind. Die Forumssprache ist Deutsch.
Als Medium, das der freien Meinungsäusserung verpflichtet ist, handhabt die Weltwoche Verlags AG die Veröffentlichung von Kommentaren liberal. Die Prüfer sind bemüht, die Beurteilung mit Augenmass und gesundem Menschenverstand vorzunehmen.
Die Online-Redaktion behält sich vor, Kommentare nach eigenem Gutdünken und ohne Angabe von Gründen nicht freizugeben. Wir bitten Sie zu beachten, dass Kommentarprüfung keine exakte Wissenschaft ist und es auch zu Fehlentscheidungen kommen kann. Es besteht jedoch grundsätzlich kein Recht darauf, dass ein Kommentar veröffentlich wird. Über einzelne nicht-veröffentlichte Kommentare kann keine Korrespondenz geführt werden. Weiter behält sich die Redaktion das Recht vor, Kürzungen vorzunehmen.
Mich lässt der Artikel verwundert zurück, als Frau. Wie soll ich mich über die Befindlichkeiten von Männern äußern? Wenn es für Jungen immer schwerer wird sich zu definieren,sind für mich die Väter gefragt. Starke Väter,mit Autorität,die autoritäres Verhalten nicht nötig haben.
Männliche Tugenden,Mut, Risikobereitschaft,Freiheitsliebe, Verantwortungsbewusstsein, möchte ich von den männlichen Vätern vorgelebt sehen. Unabhängigkeit von dem was „man“ denkt, sagt, tut. So formen Väter starke Kinder
Zunächst: Ich liebe Ihre Kolumnen Frau Wernli, Ihre Sprache, die geistreiche Gedankenführung. Wie ich überhaupt die g'scheiten Frauen ganz besonders mag. Bekommt Männlichkeit, bzw. das, was Sie damit assoziieren, immer mehr Gegenwind? Ja, definitiv. Beispielsweise gegenüber der Verwaltung, Justiz und Polizei. Da werden Regungen der Kritik, von dezidiertem Eigenständigkeit und unzureichender Unterwerfungsbereitschaft klar sanktioniert. Mit als typisch weiblich geltendenAttitüden hat mans leichter