Die Unvollkommenheit der Menschen manifestiert sich häufig in den weniger prächtigen Momenten im Leben. Hunger oder Kälte können einer Psyche zusetzen, und bei «Naked Survival – Ausgezogen in die Wildnis» (DMax) wohnen wir dem Spektakel hautnah bei. In der Reality-Show werden ein Mann und eine Frau 21 Tage irgendwo auf der Welt in der Wildnis ausgesetzt, splitternackt. Beide dürfen je einen Gegenstand mitnehmen, etwa Machete und Topf. Wer Fertigkeiten wie die Entfachung von Feuer besitzt, liegt hier klar im Vorteil.

Der Ablauf ist bei jeder Folge ähnlich: Der anfängliche Enthusiasmus der Überlebenskünstler verlässt sie rascher, als sie «Nahrung» aussprechen können, denn diese aufzutreiben, ist bei der Challenge das schwierigste Unterfangen, und so beginnt die Kraft ab Tag drei kontinuierlich die Körper zu verlassen. Als Nächstes sind die Füsse zerschunden, und weil sich unter Feuerameisen und Moskitos das Angebot eines Büffets herumgesprochen hat, ist ihre Haut bald grossflächig zerstochen. Sie sehen aus, wie man sich Neandertaler vorstellt, man möchte nicht wissen, wie sie riechen. Die nächtliche Kälte hält sie vom Schlafen ab, täglich werden sie gereizter.

Aufgrund von Krankheit verlassen Teilnehmer vorzeitig das Experiment. Denn auch wenn sie sich durch ihre Real-Life-Berufe wie Survival-Trainer Widerstandsfähigkeit antrainiert haben: Wer richtig Durst hat, trinkt auch verunreinigtes Wasser – einem unausweichlichen Abschied steht dann oft nichts mehr im Weg.

Auch psychologische Überforderung lässt so manchen aufgeben – und hier lässt sich ein interessantes Verhaltensmuster beobachten: Männer schmeissen häufiger hin (freiwillig, nicht krankheitsbedingt). Das ist keine Schmach – unsereins würde keine zwei Tage im Dschungel überleben, man denke nur an den fehlenden Morgenkaffee –, weniger schmeichelhaft ist aber der Grund. Unter den Männern, die kapitulieren, sind oftmals solche, die zu Körperkult neigen: muskelbepackte, supertrainierte Dudes. Zu Beginn der Aufgabe sagen sie zur Partnerin Dinge wie «Versprich mir, wir werden nicht aufgeben» – um dann nach zehn Tagen aufzugeben, weil sie in der Nacht frieren und ihren Körper «diesen Strapazen nicht aussetzen wollen». Man möchte sie in eine Decke wickeln und ihnen eine warme Ovi geben. Dabei reagieren ja Frauen von Natur aus empfindlicher auf Kälte. Männer besitzen mehr Muskelmasse, Muskeln produzieren Wärme. Frauen haben zwar einen höheren Fettanteil, aber um wirklich zu isolieren, muss der schon beachtlich sein, was bei den Teilnehmerinnen nicht der Fall ist.

Diese Männer stellen offenbar Körperfetischismus über Durchhaltevermögen und Teamgeist. Sie wollen nicht zu viele Muskeln verlieren, und natürlich, ein solcher «Luxuskörper» ist nicht geschaffen für drei Wochen Unterernährung; viele Kalorien verbrennen sie wahrscheinlich nur schon beim Aufrechtsitzen. Aber dass der Dschungel keine Steaks mit Reis und Broccoli ausspuckt, ist ja jedem im Vornherein klar. Und so erscheint ihre Resignation umso memmenhafter, denn aufgrund des Körperkults muss die Partnerin, die ja denselben Strapazen ausgesetzt ist, alleine weiterkrampfen (ich habe noch keine Frau aus diesem Grund den Dschungel verlassen sehen).

Frauen gehören zu den unterschätzten Wesen, und oftmals sind sie daran nicht unschuldig. In der Wildnis-Show bestätigt sich ein populäres Vorurteil, dass nämlich Frauen über weniger Selbstbewusstsein verfügen. Mit einigen Ausnahmen umweht die Teilnehmerinnen eine beharrliche Aura des Understatements. Das sieht man beispielsweise in ihrer Selbstbeschreibung, die vor der Challenge aufgezeichnet und später eingespielt wird, in der sie sich oft kleiner machen, als sie sind. «Ich habe viel trainiert, das heisst aber nicht, dass ich das jetzt perfekt beherrsche . . .» Bei vielen männlichen Teilnehmern ist es umgekehrt: Sie tragen das Overstatement wie einen Panzer vor sich her, haben einen unbändigen Drang, zu erklären, was sie alles können und wissen, kommen sich dabei grandios vor – bis zu dem Moment, wo keine ihrer Ideen funktioniert, die Glut einfach nicht zünden will oder die Echsen sich über ihre aufgestellten Fallen schlapplachen.

Frauen wirken in diesen Stresssituationen zäher. Sehen sie ein Ziel, können sie mehr Reserven freimachen, so scheint’s, und sich eher durchbeissen. Selbstverständlich ist das eine Show, Verhaltensweisen im richtigen Leben dürften sich ziemlich unterscheiden. Männer besitzen da wohl tendenziell die besseren Überlebensfähigkeiten, sie lernen von klein auf zu klettern, begleiten ihre Väter beim Fischen; unter Jägern, Pfadfinderleitern oder Survival-Ausbildnern sind mehr Männer. Auch aufgrund körperlicher Eigenschaften kommen sie besser in der Wildnis zurecht.

Am besten übrigens stehen jene Leute die Challenge durch, so mein Eindruck, die einen Sinn für Humor haben. Dann funktioniert Teamarbeit besser, und sie bringen es eher zustande, Schwierigkeiten ins Positive zu drehen. Vor allem aber trägt Humor zur psychischen Stabilität bei, auf die es bei jeder Herausforderung im Leben letztlich ankommt.

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