Tiana Angelina Moser, Ständerätin der GLP, und Corina Gredig, Fraktionschefin der GLP, behaupteten innert weniger Tage auf SRF und Tele Züri, 60 Prozent der Schweizer Exporte gingen in die EU.
Mit dieser Zahl wollten die beiden Grünliberalen ihrem Argument Nachdruck verleihen, dass die Schweiz gar keine andere Wahl habe, als die Neuauflage des Rahmenabkommens zu unterzeichnen. Schliesslich, so die Erzählung, sei das kleine Land auf Gedeih und Verderb von Brüssel abhängig.
Nur: Die Zahlen stimmen nicht.
«Faktenfrei», nennt es SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi. Der Zuger Nationalrat verweist auf die offizielle Statistik des Bundesamtes für Statistik.
Danach gingen 39,9 Prozent der Exporte in die EU. Davon 12,2 Prozent nach Deutschland, 6,4 Prozent nach Italien und 4,8 Prozent nach Frankreich.
Moser und Gredig haben also um 30 Prozent übertrieben, um ihre politischen Ziele zu erreichen.
Ziemlich dreist, muss man sagen. Oder griffiger formuliert: Fake News von links.
Der Bundesrat hat diese Woche erneut eine Auslegeordnung der Beziehungen EU–Schweiz vorgenommen.
Obwohl so getan wird, als ob noch verhandelt würde, ist aus Schweizer Sicht klar, was der anvisierte Vertrag bringen wird:
Aber das Verrückteste ist: Brüssel muss im Gegenzug keinen einzigen Nachteil in Kauf nehmen, wenn es den Deal unterschreibt!
Man kann es sich nicht vorstellen. In einer Zeit, in der die EU-Staaten in einer noch nie dagewesenen Krise stecken, will der Bundesrat einen Vertrag abschliessen, der die Eidgenossenschaft enger als je zuvor an den Staatenbund bindet.
Dabei besteht überhaupt kein Handlungsdruck. Oder will jemand behaupten, Länder wie Frankreich, Deutschland oder Österreich seien in einer besseren Verfassung und Position als die Schweiz?
Wer hat im Bundesrat den Mut, in Brüssel endlich Klartext zu reden und das Drama zu beenden? Bitte vortreten.
Diese Person hätte sich grosse Verdienste erworben!
Petros Mavromichalis, Botschafter der EU in der Schweiz, wurde es SRF-«Club» zum Thema Verhältnis EU–Schweiz langweilig.
Demonstrativ kramte der Grieche sein Handy hervor und tippte auf dem Gerät herum. Er habe «die Anzahl der Freihandelsabkommen, die die EU mit anderen Staaten abgeschlossen hat, recherchieren» wollen, versuchte einer seiner Mitarbeiter die unhöfliche, despektierliche Aktion gegenüber 20 Minuten zu erklären.
Für Urs Wietlisbach, Mitinitant der Kompass-Initiative, der während des Langeweile-Anfalls in eine hitzige Diskussion verstrickt war, hat die Aktion dagegen System: «Es ist sehr abschätzend für die Redner. Seine Ausrede, er hätte nachschauen müssen, wie viele Freihandelsabkommen die EU habe, scheint mir weit hergeholt, da ja ein EU-Botschafter dies eigentlich wissen müsste», sagt er auf Anfrage der Weltwoche. Dies und Mavromichalis’ einstündige Verspätung zeige auf, wie die EU auf die Schweiz herabschaue – und das Ganze sei «deckungsgleich mit diesem einseitig EU-freundlichen Rahmenabkommen II, was uns als Bilaterale III aufgeschwatzt werden möchte».
Sicher ist: Neue Freunde hat sich der Spitzendiplomat mit seiner Läck-mir-Aktion in der Schweiz nicht gemacht.
Ein Rahmenabkommen 2.0 würde nicht nur die Souveränität und die direkte Demokratie der Schweiz schwächen – es wäre auch sehr teuer. Übers Wochenende wurde bekannt, dass Brüssel die Kohäsionszahlungen für die Schweiz auf mehrere Hundert Millionen Franken anheben möchte – pro Jahr. So kommen schnell einmal hohe zweistellige Milliardenbeträge zusammen.
Brüssel versteht diese Zahlungen als Markteintrittsgebühr. Als ob die EU nicht auch Zugang zum Schweizer Markt hätte.
Die Ungleichheit ist mit Händen zu greifen – und für den Verstand nicht zu begreifen. Warum sollte die Schweiz Milliarden bezahlen, damit sie mit der EU Handel treiben kann? Und warum zahlt eigentlich nur Bern? Warum zahlt nicht auch Brüssel?
Andere Staaten fordern ja auch keine Eintrittsgebühr, dass man mit ihnen Handel treiben darf, denn wir reden ja hier nicht von Zöllen. Zahlt die Schweiz an China? An Indien? An die USA? Natürlich nicht.
Allein die Tatsache, dass der EU-Marktzugang ein einseitiges, derart hohes Preisschild trägt, zeigt, wie schief diese «Bilateralen III» in der Landschaft stehen. Es ist ein weiteres Puzzlestück, das illustriert, wie sich die EU versteht: als Machtapparat, der den Markt mit politischer Regulierung umarmt wie eine Boa constrictor ihr Opfer.
Fast ist man versucht, dafür eine neues Wort zu ersinnen: Aus Freihandel macht die EU Unfreihandel.
Nächste Woche wird unsere Landesregierung eine vertiefte Aussprache führen über die aktuell laufenden Verhandlungen zu einer institutionellen Annäherung an die EU. Seit März verhandelt die Schweiz mit der EU über ein Paket namens Bilaterale III, wo es nicht bloss um einen erleichterten Marktzugang in gewissen Bereichen oder um für uns interessante Kooperationsabkommen geht.
Es geht vor allem um die künftige dynamische Übernahme von EU-Recht und über institutionelle Regeln im Streitfall. Wobei hier auch die Rolle des Europäischen Gerichtshofes ein Minenfeld darstellt. Obendrein erwartet die EU von uns regelmässige Milliardenzahlungen.
Nur eben: Das sind keine Verhandlungen auf Augenhöhe. Das konnte man Mitte Oktober wieder beobachten.
Die Schweiz würde gerne die Massenzuwanderung aus der EU mit einer Schutzklausel kontrollieren. Unser Land ist mit dem Rekordzulauf der letzten Jahre überfordert. Der stetige Ausbau unserer Infrastruktur aufgrund der Bevölkerungsexplosion der letzten Jahre ist bald nicht mehr finanzierbar. Mieten, Versicherungsprämien, Stromkosten schiessen zudem steil nach oben.
Und wie reagiert die EU auf das Schweizer Anliegen für eine Schutzklausel? Maros Sefcovic, der Vizepräsident der EU-Kommission, hat nach dem Treffen mit dem Ministerrat selbstherrlich erklärt, eine solche Schutzklausel komme nicht in Frage. Die EU werde nicht nachgeben.
Konkret: Sefcovic will uns noch mehr EU-Zuwanderer aufdrücken und uns dafür auch noch zahlen lassen.
Für den Schweizer Bundesrat kann das nur eines bedeuten. Er muss kommenden Mittwoch den Übungsabbruch beschliessen. So weiterfahren mit der Personenfreizügigkeit wie bisher geht auf keinen Fall. Sonst sind wird bald mausearm wie EU-Staaten.