Der Gurten hat schon viel erlebt. Bob Dylan verzückte das Publikum des legendären Gurtenfestivals mit seinen poetischen Texten. Cypress Hill hüllten die Wiese hoch über der Aare in eine Kiff-Wolke. Aber so etwas hat der lauschige Berner Hausberg noch nie gesehen.

Die Sonne verabschiedet sich am Horizont, als am Donnerstagabend Erykah Badu auf die Bühne tritt. Geschmeidig säuselt die Altmeisterin des Neo-Soul.

Was die meisten im jungen Publikum nicht wissen: Erykah Badu ist die Taufpatin von «woke». Den Begriff, der Mitte des 20. Jahrhunderts erstmals auftauchte und die ungleiche Behandlung von Schwarzen in den USA anprangerte, hat Badu mit ihrem Song «Master Teacher» 2008 zu neuem Leben erweckt.

Der Refrain «I stay woke» (Ich bleibe wachsam) inspirierte die Black-Lives-Matter-Bewegung und #MeToo-Aktivistinnen. Wie ein Lauffeuer breitete sich «woke» aus. Heute machen selbsternannte Inquisitoren der politischen Korrektheit unter dem Banner von «woke» Jagd auf alles «Toxische».

Auch an diesem Abend spielt Badu ihren legendären Hit. Doch mit der Woke-Bewegung hat sie fertig.

«‹Stay woke› bedeutet einfach, auf alles zu achten», erklärte sie jüngst im Interview mit der New York Times. «Es bedeutet nicht, sich gegen jemanden zusammenzurotten, von dem man denkt, er sei nicht ‹woke›.»

Die «Godmother of woke» lässt sich nicht schubladisieren. Erst recht nicht von politischer Korrektheit.

Als ob sie dies noch mal beweisen will, legt Erykah Badu auf dem Gurten einen drauf. Ihr Konzert ist längst vorbei, als sie kurz nach Mitternacht erneut vors Publikum tritt.

Auf der Hauptbühne ist der Main Act in vollem Gang. Hip-Hop-Queen Megan Thee Stallion (drei Grammys) bringt den Berg mit vollem Körpereinsatz – Netzstrümpfe, schwarzer G-String-Body – zum Kochen.

Da passierts: Badu (51) stolziert auf die Bühne. «Drop that Sh*t!» ruft die perplexe Stallion (27). Erykah schmeisst ihre Jeansjacke hin. Und wirft sich auf die Knie. Und richtet ihren Hintern, knapp verdeckt von Blue-Jeans-Shorts, ins Publikum.

Dann gibt master teacher Badu dem Berner Publikum einen Meisterkurs im Twerking. In alle vier Himmelsrichtungen wackelt sie ihren Booty. Dann schaltet sich Stallion ein. Die beiden Texanerinnen schütteln ihre Backen, dass der Vollmond über Bern erblasst.

«Mein Mädchen @erykahbadu hat mich komplett umgehauen», textet Stallion ihren 29,2 Millionen Follower auf Instagram. Ich wusste nicht, dass sie hier auftauchen und sich so aufplustern würde. Echter MF Texas s***, echte MF hot girl s***!

Über Nacht machen die twerkenden Texanerinnen Schlagzeilen rund um die Welt. «Das Schweizer Publikum brüllte, als Erykah ihre booty-shaking moves von allen Seiten präsentierte», schreibt die Daily Mail voller Begeisterung.

Wer sagt denn, Bern sei ein verschlafenes Nest? Einmal mehr schreibt das Gurtenfestival (Kultur-)Geschichte.

Die 3 Top-Kommentare zu "Die Taufpatin von «woke» – Erykah Badu – schüttelt mit ihrem Hintern das Berner Gurtenfestival in Ekstase. Und macht Schlagzeilen rund um die Welt"
  • Bin ich der einzige der das einfach nur billig und primitiv findet?

  • das dritte auge

    Wenn Sie "woke" richtig interpretieren würden, kämen Sie wohl nicht zu solchen Schlussfolgerungen....🤔

  • Silver Shadow

    Mit meinen 55 Jahren habe ich einiges gesehen und bin alles andere als Prüde. Irgendwie sehne ich mich manchmal nach den 60er und 70er Jahre zurück. Sicher waren die 60er rebellisch und zu dieser Zeit gewagt und auch verpönt, aber es gab noch Stil trotz alledem. Die Herren hatten noch eine Krawatte und Jackett, die Damen die Haare hochfrisiert, deux-Piece und weisse Handschuhe... heute sieht es billig aus, stillos, verlodert, unelegant. Diese G-String bei jungen Girls; grausam, geistlos.