Bundesrätin Viola Amherd (Die Mitte) ist Chefin des Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS). Ihr ist der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) unterstellt. Die Walliserin hat sich mit Beamten umgeben, die ihre Weltsicht weitgehend teilen. Amherd ist dafür, dass die Schweiz enger mit der Nato zusammenwirkt. Sie ist gegen die immerwährende, bewaffnete und umfassende schweizerische Neutralität. Stattdessen vertritt sie eine aufgelockerte, flexible, gummiweiche Konzeption der Neutralität mit dem Ziel, dem Bundesrat grössere Spielräume zu verschaffen, um die Schweiz in internationale Bündnisse und Konflikte zu verstricken. Damit liegt Amherd auf der Linie der FDP, der Mitte-Partei, der Linken und der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ).

Nicht alle aber sind dafür, dass die Schweiz, kopflos und opportunistisch, ihr wichtigstes Sicherheitsinstrument, die integrale Neutralität, auf den Abfallhaufen wirft. Dazu gehört auch die Schweizer Wochenzeitung Zeit-Fragen, die sich aus konservativer Sicht mit politischen Themen beschäftigt. In einer ihrer Ausgaben liess die Redaktion einen ehemaligen amerikanischen Marineoffizier und einstigen Uno-Waffeninspektor zu Wort kommen. Dieser Mann, der im ersten Irakkrieg noch Kampfeinsätze der US-Truppen im Feld kommandiert und sich dabei ausgezeichnet hatte, wurde im zweiten Irakkrieg zu einem prononcierten Gegner der US-Aussenpolitik. In seinem Artikel empfahl er der Schweiz, unbedingt an ihrer bewährten integralen Neutralität festzuhalten.

Letzte Woche deckte die Weltwoche auf, dass Amherds Nachrichtendienstler über besagte Wochenzeitung und den amerikanischen Ex-Offizier eine Akte angelegt haben. Amherds Mitarbeiter werfen der Zeitung vor, mit diesem Artikel «russische Propaganda» zu betreiben. Ohne ersichtlichen belastbaren Beweis beschuldigen sie den einstigen Uno-Waffeninspektor, «russische Narrative» zu verbreiten und damit die schweizerische Innenpolitik auf Geheiss des Kremls beeinflussen zu wollen. Beweise für ihre Thesen legen die Beamten nicht vor. Auf Anfrage der Weltwoche begründen sie, der Amerikaner vertrete die exakt gleiche Neutralitätsposition, die auch Moskau der Schweiz empfehle. Damit sei erwiesen, dass er in «russische Beeinflussungszusammenhänge» hineingehöre.

Nicht die Russen, Viola Amherd und ihre Beamten sind im Begriff, die Wahlen zu verfälschen.

Wer also eine andere Auffassung der Neutralität vertritt als Bundesrätin Amherd, widerspricht nicht nur einer Schweizer Magistratin, er läuft auch Gefahr, vom Nachrichtendienst ebendieser Bundesrätin als Landesverräter im Sold ausländischer Mächte, als Agent feindlicher Propaganda fichiert und in Bundesakten vermerkt zu werden. Wären also nach den Kriterien dieser Behörde zum Beispiel die ganze Schweizer Aktivdienstgeneration und das einstige Offizierskorps unserer Armee ein Fall für rückwirkende Beobachtung, eine fünfte Kolonne des Kremls avant la lettre sozusagen, weil diese Patrioten im Zweiten Weltkrieg die immerwährende, bewaffnete und umfassende Neutralität an unserer Landesgrenze verteidigt und dafür ihr Leben riskiert haben?

Nach Informationen der Weltwoche macht sich das Departement Amherd durch die Bespitzelung einer Schweizer Zeitung strafbar, weil es nach heutiger Rechtslage dem Nachrichtendienst verboten ist, die «Meinungsäusserungsfreiheit» zu tangieren oder gar einzuschränken. Dies ist nun aber fraglos der Fall, wenn Journalisten, die in einer wichtigen politischen Streitfrage wie der Neutralität einer Bundesrätin widersprechen, damit rechnen müssen, ohne allerdings davon zu erfahren, dass sie der Schweizer Nachrichtendienst als Propaganda-Akteure des Auslands fichiert. Das ist auch Kredit- und Rufschädigung, die dadurch noch verschärft wird, dass Amherds Spitzel ihre «vertraulichen» Akten nicht vertraulich halten können, wie Figura zeigt.

Die Schweizer Medien haben auf den Fall, sofern sie ihn überhaupt zur Kenntnis nahmen, mit einer Welle der Solidarität für die Bundesrätin reagiert. Am weitesten ging dabei die NZZ am Sonntag. Sie übernahm kritiklos das Propaganda-Narrativ des Bundes und warnt vor «russischer Beeinflussung» des Schweizer Wahlkampfs. Auch für die NZZ sind Verfechter der klassischen Neutralität, welche die NZZ an der Seite Amherds erbittert bekämpft, also potenzielle Kreml-Agenten. Diese Verschwörungstheorie aufgegriffen haben dankbar bis verzweifelt die Schweizer Sozialdemokraten, um auf der letzten Wahlkampfmeile noch zu punkten. Ausgerechnet die Linke, die einst gegen den «Fichenstaat» auf die Barrikaden stieg, macht sich nun zu dessen Komplizen.

Beeinflusst Putin die Schweizer Wahlen? Offenbar haben die Unterstützer dieser Behauptung keine besonders hohe Meinung von der Mündigkeit und Urteilsfähigkeit des Schweizer Wählers. Gravierender aber noch ist, dass Amherds Spitzelbehörde hier ganz offensichtlich dem Versuch Vorschub leistet, die Schweizer Wahlen zu diskreditieren, ihr Resultat auf Vorrat in ein schiefes Licht zu rücken. Nicht die Russen, Bundesrätin Amherd, ihre entfesselten Beamten und ein neutralitätsmüdes, Nato-süchtiges Verteidigungsdepartement sind im Begriff, die Schweizer Wahlen zu verfälschen, sich gesetzeswidrig an der Meinungsäusserungsfreiheit zu vergreifen und amerikanische Paranoia-Taktiken in unser Land zu importieren.

 

Amherds Geheimdienst im Wahlkampf: zur Story

Die 3 Top-Kommentare zu "Amherds Fichenstaat"
  • Möösler

    Jetzt hesch es ere aber emal gseit! Wiiter so Roger!

  • kostas

    "Der Russe wars", die Berner Regierung ist über alles Erhaben und macht nie Fehler. Das die Russen für alles als Sündenbock herhalten müssen, zeigt den desolaten Zustand des Landes. Was würden diese Marionetten ohne Russland nur anfangen.

  • accountant

    Corona und die damit begründeten Aussetzungen bürgerlicher Rechte haben bei den Staatsangestelltinnen aller Ränge einen mächtigen Adrenalinrausch ausgelöst und auf diese Macht möchten sie nicht mehr verzichten. Schliesslich haben sie die Welt gerettet und das wollen sie immer wieder tun - zum Schaden aller Zwangsabgabenpflichtiger natürlich oder wars nicht zum Schaden - schwierig bei stetigem 360Grad-Strategiewechseln in der heutigen Politik.