Weltwoche: Walter Wobmann, Sie sind seit kurzem Alt-Nationalrat. Womit beschäftigen Sie sich jetzt?

Walter Wobmann: Seit meinem Rücktritt im Dezember 2023 befinde ich mich in einer Übergangszeit. Ich lege einige bestehende Mandate ab und habe viele Anfragen von verschiedenen Organisationen für neue Engagements. Eine grosse Aufgabe bleibt für mich das Präsidium des Landesverbands Swiss Moto: Wir machen uns fit für die Zukunft. Die Verkehrspolitik bleibt eines meiner Lieblingsthemen. Ich habe sie immer als zentralen Punkt meiner Arbeit angesehen. Zudem bin ich mit der Volksinitiative zur Wahrung der Neutralität beschäftigt.

Weltwoche: Welche verkehrspolitischen Fragen stehen an?

Wobmann: Ich bin froh, dass ich als Mitglied der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie (Urek) sowie der Verkehrskommission dazu beitragen konnte, die Finanzierung des Nationalstrassenfonds (NAF) und den Kompromiss für die Revision des Strassenverkehrsgesetzes auf den Weg zu bringen. Trotzdem bleibt die Verdrängung des Privatverkehrs ein akutes Problem.

Weltwoche: Was meinen Sie damit?

Wobmann: In den Städten ist dies in vollem Gange. Anfänglich wurde ich belächelt, weil ich davor gewarnt habe. In Zürich, Basel, Bern oder Genf will man keinen Verkehr mehr. Wurde zu Beginn noch der Umweltschutz als Argument vorgebracht, geht es heute um etwas Grundsätzliches. Mit dem Rückbau von Fahrspuren, dem Abbau von Parkplätzen oder mit Tempo 30 geht man gegen jede Art von Autoverkehr vor. Das betrifft E-Fahrzeuge genau gleich wie Benzin- oder Dieselmodelle, und es zeigt, dass es eben nicht um Ökologie, sondern um Ideologie geht.

Weltwoche: Ist es nicht ein Verdienst der linken Regierungen, die Lebensqualität in den Städten stark verbessert zu haben?

Wobmann: Mich stört, dass man versucht, das Gesellschafts- und Wirtschaftsleben staatlich einzuschränken. Wenn der Handwerker seine Arbeit nicht mehr machen kann, verbessert das nicht die Lebensqualität. Mit Velo und Leiterwägeli kommt kein Schreiner oder Sanitär zu den Kunden. Darunter leidet am Ende die Freiheit, und dies stand immer im Zentrum meines politischen Handelns.

«Mir ist alles recht, was jemand freiwillig macht. Gegen alles andere müssen wir uns wehren.»Weltwoche: Inwiefern sehen Sie die Freiheit in Gefahr?

Wobmann: Mir scheint es, dass man versucht, ein neues, sozialistisches System zu etablieren, in welchem den Bürgern viele Bereiche des Lebens vorgeschrieben werden: Was sie essen sollen, wie sie sich bewegen und leben sollen. Mir ist alles recht, was jemand freiwillig macht. Gegen alles andere müssen wir uns wehren.

Weltwoche: In Deutschland gibt es Bestrebungen, Motorräder, die lauter als 90 Dezibel sind, zu verbieten. Besteht die Gefahr auch bei uns?

Wobmann: Es gab Vorstösse der Aargauer SP-Nationalrätin Gabriela Suter, die eigentlich gegen alles ist, was einen Motor hat. Wir konnten in den Kommissionen ihre Argumente entkräften. Man kann nicht ein nach allen herrschenden Regeln immatrikuliertes und zugelassenes Fahrzeug einfach nachträglich für illegal erklären oder für bestimmte Strecken – wie das etwa in Südtirol der Fall ist – sperren. Das ist gegen unsere Verfassung.

Weltwoche: Ist es nicht legitim, die Menschen vor Lärm schützen zu wollen?

Wobmann: Natürlich, aber die Frage ist letztlich, was Lärm überhaupt ist. Für die einen ist Musik mit bis zu 120 Dezibel an einem Konzert Lärm, für andere eben nicht. Auch wenn ich bei einem Rennen der Moto GP zuschaue, empfinde ich das nicht als Lärm. Andererseits verstehe ich, dass einen der Verkehr stört, wenn man an einer stark befahrenen Strasse wohnt. Wir rufen auch unsere Leute dazu auf, Rücksicht zu nehmen. Wir appellieren an die Vernunft, machen Lärmkampagnen, und die Fahrzeuge werden sowieso immer leiser. Auspuffklappen gibt es mittlerweile nicht mehr, diese Entwicklung läuft. Aber als Verband Swiss Moto sind wir gegen Verbote für Fahrzeuge, die bisher legal waren.

Weltwoche: Lärmdiskussionen scheinen der politischen Konjunktur zu folgen. Über Fluglärm etwa spricht heute niemand mehr . . .

Wobmann: Heute sind Elektroautos fast lautlos unterwegs, aber es gibt Leute, die sich immer noch durch die Abrollgeräusche der Reifen gestört fühlen. Der Fluglärm ist vielleicht etwas aus dem Fokus geraten, aber er wird wieder aktuell, wenn es in Zürich um die Pistenverlängerungen geht. Mit der Ausdehnung der Nachtruhe wird auch bei diesem Thema versucht, die Bewegungsfreiheit einzuschränken. Vom Bundesrat wurde ich in die beratende, ausserparlamentarische Kommission für Lärm berufen. Wir behandeln alle Lärmthemen von Eisenbahnen bis zur Baustelle. Ich bin sehr gespannt auf die Diskussionen.

Weltwoche: Wird in der Politik zwischen gutem und schlechtem Lärm unterschieden?

Wobmann: Das ist hundertprozentig so. Von Links-Grün habe ich noch nie gehört, dass der Eisenbahnlärm ein Problem sein könnte. Das heisst aber nicht, dass ich etwas gegen die Eisenbahn habe. Auch ein lautes Windrad ist trotz seiner enormen Auswirkungen auf Menschen und Umwelt kein Problem, aber ein Töffmotor schon. Es geht gar nicht um den Lärm, sondern um Ideologie.

«Von Links-Grün habe ich noch nie gehört, dass der Eisenbahnlärm ein Problem sein könnte.»

Weltwoche: Der Ehrlichkeit halber muss man sagen, dass es manche Motorradfahrer gerne übertreiben. Woher kommt diese Lust am Krach?

Wobmann: Wenn jemand illegale Teile an seinem Fahrzeug anbringt und übertriebenen Lärm macht, soll die Polizei einschreiten. Das ist völlig in Ordnung. Es gibt sicher Leute, die übertreiben. Aber das Thema erledigt sich von selbst.

Weltwoche: Wie sehen Sie eigentlich die Entwicklung hin zu neuen Antriebstechnologien?

Wobmann: Ich bin und war immer schon offen für jede Art von Technologie. Man spricht bei uns oft etwas einseitig nur über den Elektroantrieb, aber auch synthetische Kraftstoffe sind in der Entwicklung. Wasserstoffeinspritzung in Verbrennungsmotoren wiederum ist ein grosses Thema bei japanischen Autos. Es wird viel geforscht, und je nach Einsatzbereich gibt es gut und weniger gut geeignete Technologien.

Weltwoche: Elektromotorräder sind anders als E-Autos noch nicht stark im Trend. Woran liegt das?

Wobmann: Die Entwicklung läuft bei Auto und Töff in verschiedenen Richtungen. Bei den Autos hat man mit teuren Modellen begonnen und hat sich schrittweise in den Massenmarkt bewegt. Bei den Motorrädern hat man mit Rollern angefangen, die Entwicklung hin zu grossen Maschinen steht aber etwas an. Meine Überzeugung ist, dass wir offen sein müssen, um am richtigen Ort das Richtige einsetzen zu können. Ich bin nur gegen diesen Verbotswahn.

Weltwoche: Was gibt Ihnen persönlich das Motorradfahren, was macht es einzigartig?

Wobmann: Die Kombination aus Lebensgefühl, Freiheit, Geschwindigkeit, Technik und Kameradschaft macht für mich den besonderen Reiz aus. Und mir ist der soziale Aspekt ganz wichtig. Ich war immer überzeugt, dass wir Töfffahrer ein Vorbild für die Gesellschaft sind: Es spielt keine Rolle, wer du bist, was du machst oder woher du kommst. Man versteht sich instinktiv und sofort als Gemeinschaft, wenn jemand mit einem Helm unter dem Arm in eine Beiz kommt und sich an einen Tisch mit anderen Motorradfahrern setzt.

Weltwoche: Worin besteht aus Ihrer Sicht der Reiz des Rennsports?

Wobmann: Das eben beschriebene Gefühl potenziert sich um den Faktor zehn. Leute aus verschiedenen Nationen kommen zusammen, um einen Sport zu feiern, der sehr speziell ist. Dabei spielt die Herkunft keine Rolle. Wenn ich mit 200 000 Menschen am Sachsenring stehe, um ein Rennen zu sehen, sind das ganz grosse Emotionen. In jungen Jahren bin ich selber Rennen gefahren – Moto-Cross und Strassenrennen (Honda Cup). Am Ende habe ich mich aber für einen normalen Job entschieden. (Lacht)

Weltwoche: Mussten Sie je mit Verletzungen umgehen?

Wobmann: Es gab Stürze, aber nie schlimme Verletzungen oder Brüche. Es bleibt immer ein Restrisiko – bei Velo-, Ski-, Auto- oder Motorradrennen. Aber man hat viel gelernt, die Fahrzeuge und Strecken sind heute viel sicherer.

Weltwoche: Warum sind wir von Geschwindigkeit so fasziniert?

Wobmann: Die Faszination, sich unter Adrenalin im Grenzbereich zu bewegen, ihn auszuloten und zu beherrschen, ist etwas Urmenschliches. Die Abfahrtsrennen im Skisport haben schliesslich höhere Einschaltquoten als Slalomrennen. Das ist etwas, was uns fesselt. Es gibt auch im Motorradsport verschiedene Disziplinen. Im Trial beispielsweise sieht man Geschicklichkeitsakrobaten unglaubliche Dinge anstellen. Aber das hat nicht dieselbe Anziehungskraft wie Strassenrennen.