Bern

Die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) gehört zu den renommiertesten Universitäten der Welt. Wer an dieser Institution unterrichtet, hat eine hohe Glaubwürdigkeit. Einer, der die Strahlkraft der Marke ETH für sich nutzt, ist Marcus Keupp. Der deutsche Militärökonom tingelt seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs durch die Talkshows. Der Sieger der Auseinandersetzung steht für ihn fest. Russland werde «den Krieg im Oktober strategisch verloren» haben, prophezeite er schon im vergangenen Jahr («Das Orakel vom Reppischtal», Weltwoche Nr. 41/23). Wenige Tage vor Ablauf dieser Frist lässt sich unschwer feststellen, dass sich der Militärökonom mit seiner angeblich wissenschaftlichen Expertise verrannt hat. Der Krieg ist alles andere als entschieden.

Nicht nur im Fernsehen und in Zeitungen fällt Keupp mit steilen Thesen auf. Auch in den sozialen Medien macht er aus seinem Herzen keine Mördergrube. Die Ängste vieler Beobachter, dass sich der Konflikt ausweiten könnte, zieht er ins Lächerliche. So schreibt er auf X (vormals Twitter), er «warte immer noch auf das Atomknallebums». Damit bezieht er sich auf die Möglichkeit eines nuklearen Schlagabtauschs zwischen den beiden grössten Atommächten Russland und USA, was katastrophale Konsequenzen für die Menschheit hätte. Politikern wie dem deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz wirft er «Feigheit» vor, weil sie zu Vorsicht bei Waffenlieferungen an die Ukraine mahnen. Wer Keupps Ansichten in Frage stellt, dem legt der deutsche Hochschullehrer die «Auswanderung» nahe.

 

Hang zu Verschwörungstheorien

Keupp unterrichtet angehende Offiziere der Schweizer Armee an der Militärakademie der ETH Zürich, die in der Kaserne Reppischtal im zürcherischen Birmensdorf beheimatet ist. Der mit Steuergeldern besoldete ETH-Dozent setzt seine provokativen Kurzbotschaften gleich dutzendfach pro Woche ab. Ausserdem scheint er einen Hang zu Verschwörungstheorien zu haben. So glaubt Keupp offenbar, dass er im Visier russischer Agenten steht. Wenn ihm etwas zustossen sollte, würde er zu «einer Art Märtyrerfigur», tröstet er sich.

Obwohl Keupp mit seinen öffentlichen Auftritten den Ruf der ETH als unabhängige, einzig der Wissenschaft verpflichtete Institution gefährdet, will sich die Hochschule nicht zu ihrem Dozenten äussern. Auf Anfrage der Weltwoche, ob die ETH die Tweets und Prognosen ihres Mitarbeiters gutheisse, wird mitgeteilt, Keupp habe zwar einen Lehrauftrag an der Hochschule, sei aber «vollumfänglich» der Ausbildungsstätte für Berufsoffiziere und Berufsoffizierinnen der Schweizer Armee angegliedert. Will heissen: Der Mann, der seit Monaten eine Fehleinschätzung an die nächste reiht und seine Kritiker verunglimpft, ist ein Angestellter des Verteidigungsdepartements (VBS). Er steht auf der Lohnliste von Bundesrätin Viola Amherd.

 

Warten auf das «#atomknallebums»

Damit stellt sich die Frage: Darf sich ein Beamter von Amherd öffentlich einfach auf eine Seite schlagen und alles ausblenden, was nicht ins Bild passt? Der Bundesrat vertritt immer noch die Position, dass die Schweiz in diesem Konflikt eine neutrale Haltung einnimmt. Beim VBS geht man nun auf Distanz zu Mitarbeiter Keupp – wenigstens halbwegs. «Es trifft zu, dass die von Ihnen benannten Begriffe nicht dem akademischen Vokabular entsprechen», sagt Armeesprecher Mathias Volken. Um dann gleich zu relativieren, die Militärakademie sei eine international anerkannte militärwissenschaftliche Institution auf universitärem Niveau. Als solche messe sie der Freiheit der Forschung und Lehre eine grosse Bedeutung zu. «Dies gilt unabhängig vom Kanal», so Volken weiter.

Wer seine Ansichten in Frage stellt, dem legt der deutsche Hochschullehrer die «Auswanderung» nahe.Mit anderen Worten: Das VBS ruft seinen vom Steuerzahler finanzierten Angestellten zur Mässigung auf, lässt ihn aber weiter gewähren, während die ETH zusieht, wie ihr guter Ruf missbraucht wird. Denn was Keupps Polemiken und falsche Prognosen mit Wissenschaft zu tun haben sollen, bleibt ein Rätsel. Erst am Wochenende schrieb er auf X: «Ja. Ich warte immer noch auf das #atomknallebums. Seit Mai 2022!» Einfältiger geht’s nicht.

Die 3 Top-Kommentare zu "Der frechste Beamte der Schweiz"
  • elsa

    Was hat ein Ausländer im VBS zu suchen???????????

  • Il Biacco

    Keupp ist ein Prachtsdeutscher: Obrigkeitshörig und auf den Endsieg setzend bis zum totalen Untergang, ein Anti-Schweizer, der hier nichts zu suchen hat. Dass diese totale Fehlbesetzung an der ETH auch noch die Frechheit hat, Schweizern die Auswanderung nahezulegen, spricht Bände für den Zustand unsres Landes.

  • fmj

    Dieser Herr gehört entfernt. Auch als Deutscher hat er sich den Gegebenheiten der Schweiz anzupassen. Wenn Amherd ernst genommen werden will, entlässt sie diesen «Fremdkörper» umgehend aus dem Militärdepartement. Sie wird es nicht tun – das darf man doch nicht!